Vom Heiligen Martin, Legende – Festgestaltung

Vom heiligen Martin

An einer Straßenecke kauerte ein Mann auf der kalten Erde; der hatte nur ein Tuch um die Lenden geschlungen, nichts sonst trug er im eisigen Wind. Der Mann streckte nicht wie andere Bettler eine zitternde Hand bittend aus, und auch seine Lippen bewegten sich nicht. Die Haut seines hageren Leibes war bläulich von der grausamen Kälte; wie ein Erfrorener saß der Mann da.

Aber seine Augen schauten die vorüberhastenden Menschen genau an, und eine große Traurigkeit lag um Augen und Mund. Der Mann mußte einmal sehr schön gewesen sein; jetzt durchfurchten viele Falten sein ganzes Gesicht. Schon lange saß der Mann still da und sagte kein Wort. Er sah nur auf die Menschen, die vorübereilten, und wartete auf ihre Hilfe.

Viele Menschen sahen den Mann nicht und gingen achtlos vorbei. Viele gab es auch, die sahen ihn, aber sie schämten sich vor den Leuten, sich niederzubeugen zu einem so elenden Mann; und so gingen auch sie vorbei.

Da kam ein Mann auf einem Pferd daher. Der hielt sein Pferd an, spannte mit dem Arm seinen Mantel aus und schnitt ihn mit dem Schwert in zwei gleiche Teile. Er beugte sich seitlich vom Pferd herab und ließ eine Hälfte des Mantels behutsam zu dem Frierenden niedergleiten. Dann schlang der Reiter die andere Hälfte um seinen Leib und verschwand in der Menge. Dieser Reiter war Martin, den man später den heiligen Martin nannte.

Mit seinem seltsamen Umhang kam er ins Lager der Soldaten zurück. Er wollte sich gleich schlafen legen. Niemand brauchte zu wissen, was er getan hatte. Aber er mußte durch einen Raum gehen, in dem seine Kameraden bei Würfel- und Kartenspiel saßen. Alle waren ganz ins Spiel vertieft, und keiner bemerkte ihn. Aber als er gerade in den Schlafraum treten wollte, kam ihm ein anderer Soldat entgegen. „Ha“, rief der, „schaut euch unseren stillen Martin an! Wo mag der wohl gewesen sein? Mit einem halben Mantel kommt der wieder!“ Die Spieler blickten alle auf und sahen Martin in seinem halben Mantel und lachten ihn aus. Martin wollte den Kameraden nichts von dem erzählen, was er getan hatte; aber ein Vorgesetzter befahl ihm zu sprechen. „Ich habe die Hälfte meines Mantels einem alten Mann gegeben. Es fror ihn so“, sagte Martin nur. Für einen Augenblick verstummten die Soldaten, bis einer von ihnen rief: „Warum hast du nicht auch gleich dein Pferd halbiert, Martin?“ – Da brach ein wildes Gelächter los unter den Soldaten, und Martin wandte sich ab. Aber sie spotteten weiter über ihn, und sie zupften und rissen an seinem Mantel und riefen: „Gib uns auch ein Stück von deinem Mantel! Uns ist auch so kalt!“ – Das Gelächter scholl Martin noch lange nach.

Nach seiner Begegnung mit dem Bettler erschien Jesus Martin im Traum: „Ich war der Bettler, den du geholfen hast. Danke.“ Daraufhin fasste Martin den Entschluss, die Armee zu verlassen. Er ließ sich taufen und wurde Mönch. Später ging Martin nach Frankreich.

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