Das ausgefallene Martinsspiel, Martinsspiel – Festgestaltung

Das ausgefallene Martinsspiel

Autor: unbekannt

Darsteller(in) Text
Erzähler: Am Martinstag sollte die Geschichte des St. Martin auf dem Marktplatz aufgeführt werden. Die Buben und Mädchen der 6. Klasse waren schon ganz begeistert dabei, denn es" würden eine Menge Besucher kommen und ihnen zusehen.
Rolf: (Kreischt!) Ich - Ich bin der heilige Martin! Ich spiele ihn! Ich kann das am besten!
Erzähler: Rolf schrie so laut, dass ihm keiner zu widersprechen wagte. Die anderen Kinder verteilten sich auf die übrigen Rollen. Am Abend vor dem Martinstag sollte auf dem Marktplatz die letzte Probe stattfinden. Rolf war als erster da- schließlich war er die Hauptperson. Er hatte sich ein wunderschönes Kostüm besorgt: einen weiten roten Mantelumhang, ein blitzendes Schwert und einen Goldglänzenden Helm. Er hatte schon hundertmal vor dem Spiegel geübt, wie er mir großer Geste den Mantel teilen würde. Und falls es heute Abend länger dauern würde, hatte er sich schon mal eine Vesperbox gepackt. Mit Hunger kann man ja schließlich keine Hauptrolle spielen. Wo die anderen nur blieben? Rolf stand immer noch alleine auf dem Marktplatz. Es war kalt und ungemütlich.
(Ein kleines Mädchen kommt auf den Platz. Es schaut sich ängstlich um. Es weint.)
Mädchen: Ich finde nicht mehr nach Hause! Es ist so dunkel. Ich trau' mich nicht mehr weiter!
Rolf: Ich hab’ jetzt keine Zeit. Wir spielen gleich das Martinsspiel und ich habe die Hauptrolle. Geh’ die Gasse entlang. Da hinten ist die Polizei. Frag’ da mal.
(Das Mädchen geht ängstlich weiter. Rolf schaut auf die Uhr. Eine alte Frau betritt die Szene. Sie ist schwer bepackt, sie schnauft heftig und wischt sich den Schweiß ab. Sie greift sich ans Herz. Als sie Rolf stehen sieht, geht sie hoffnungsvoll auf ihn zu.)
Frau: Junge, kannst du ;mir nicht einen kleinen Dienst leisten? Ich wohne dort oben am Hügel. Würdest du mir bitte die Taschen nach Hause tragen? Du musst es auch nicht umsonst machen. Ich gebe dir 5 €.
Rolf: Tut mir leid. Ich bin hier verabredet. Ich kann jetzt nicht weg. Ein andermal vielleicht.
(Die alte Frau nimmt seufzend ihre Taschen und geht weiter. Rolf guckt wieder auf die Uhr. Ein Blinder betritt den Marktplatz. Man hört nur das Klappern des weißen Stockes. Rolf bleibt ganz still stehen.)
Blinder: Ist da jemand? Hallo! Wenn doch nur endlich jemand käme. Ich muss zum Bahnhof. Gleich fährt der letzte Zug. Aber wie soll ich den Bahnhof finden? Ich weiß ja nicht mal wo ich bin. Hallo, ist da jemand?
(Der Blinde klappert mit dem Stock und geht vorsichtig weiter. Rolf rührt sich nicht. Er sieht um sich und entdeckt einen Landstreicher auf einer Treppe sitzen.)
Landstreicher: Hey du! Hast du vielleicht was zum Essen dabei? Mir knurrt der Bauch schon seit gestern.
Rolf: Ich will mit ihnen nichts zu tun haben. Mein Vater hat mir verboten, mit Landstreichern zu reden.
Landstreicher: Ja ja, ich darf ruhig verrecken. Ich bin in euren Augen ja nichts wert. Bleibt ihr in euren warmen Stuben sitzen und schlagt euch die Bäuche voll.
(Der Landstreicher steht auf und geht weg.)
Erzähler: Rolf war es kalt geworden. Vor einer Stunde hätte die Probe beginnen sollen. Und keiner ist gekommen. Oh diese Schufte! Es ist kein Verlass auf sie! Na, denen wird er morgen in :der Schule aber Bescheid sagen! Wütend lief Rolf nach Hause. Mit düsterem Gesicht betrat er am kommenden Morgen das Klassenzimmer.
(Die Kinder stehen in einer Gruppe zusammen und reden.)
Rolf: Hey wo wart ihr gestern Abend? Ihr seid mir schöne Freunde! Jetzt muss das schöne Martinsspiel ausfallen. Nur wegen euch.
Reiner: Ich wollte gerade auf den Marktplatz kommen, da lief mir ein kleines Mädchen über den Weg. Es hat am ganzen Körper gezittert und so sehr geweint. Da hab ich es an die Hand genommen und es heim zu seinen Eltern gebracht. Die haben sich so gefreut und darauf bestanden, dass ich noch eine Limo trinke. Danach bin ich heimgegangen weil ich dachte, die Probe ist eh schon rum.
Lutz und Babsi: Als wir auf dem Weg waren, haben wir eine alte Frau getroffen. Sie musste sich an einen Zaun lehnen und hat sich das Herz gehalten. Ich habe ihr dann die Taschen getragen.
Lutz: Ja und ich habe sie gestützt, sonst wäre sie nicht den Hügel nach oben gekommen zu ihrem Haus. Sie wollte uns sogar was dafür bezahlen! So ein Quatsch! Das haben wir doch gern gemacht! Ja und das Martinsspiel haben wir dann total vergessen.
Steffi und Lisa: Ja und wir waren am Bahnhof. Wir haben einen blinden Mann dorthin geführt.
Steffi: Wenn wir ihm nicht geholfen hätten, hätte er den letzten Zug nach Hause verpasst.
Rolf: Ihr seid wohl verrückt! Es war doch ausgemacht, dass das Spiel geprobt wird. Das ist ja wohl wichtiger!
Sven: Ich konnte auch nicht kommen. Ich habe gestern noch einen Landstreicher getroffen. Dem hab' ich ein paar Brote gemacht. Er hat mir dabei erzählt, dass er auch mal ein ordentlicher Junge war. Aber später hat er mal eine Dummheit gemacht und musste dafür ins Gefängnis. Und danach wollte ihn keiner mehr haben. Die Familie nicht, die Freunde, die Arbeitskollegen … niemand mehr. Er ist dann einfach fortgegangen, immer weiter, egal wohin. Er hat gesagt, dass er irgendwann mal im Winter sterben wird. Weil Landstreicher immer im Winter sterben. Ich bin froh, dass ich ihm ein bisschen helfen konnte. Die paar Brote …
Rolf: Mit euch kann man nichts anfangen. Nun wird es halt nichts mit dem Martinsspiel. Jetzt muss alles ausfallen.
Lehrer: Nein! Ich glaube es hat schon stattgefunden, ohne dass du es gemerkt hast. All die anderen haben gestern Abend die Hauptrolle gespielt. Und zwar sehr gut und in echt. Der Bettler, dem Sankt Martin einst den Mantel gab, der lebt heute noch. Und er hat viele Gesichter und leidet viele Nöte.

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