Durch die Nacht drei Wandrer ziehn,
Um die Stirnen Purpurbinden,
Tiefgebräunt von heißen Winden
Und der langen Reise Mühn.
Durch der Palmen säuselnd Grün
Folgt der Diener Schar von weiten;
Von der Dromedare Seiten
Goldene Kleinode glühn,
Wie sie klirrend vorwärts schreiten,
Süße Wohlgerüche fliehn.
Finsternis hüllt schwarz und dicht
Was die Gegend mag enthalten;
Riesig drohen die Gestalten:
Wandrer, fürchtet ihr euch nicht?
Doch ob tausend Schleier flicht
Los' und leicht die Wolkenaue:
Siegreich durch das zarte Graue
Sich ein funkelnd Sternlein bricht.
Langsam wallt es durch das Blaue,
Und der Zug folgt seinem Licht.
Horch, die Diener flüstern leis:
„Will noch nicht die Stadt erscheinen
Mit den Tempeln und den Hainen,
Sie, der schweren Mühe Preis?
Ob die Wüste brannte heiß,
Ob die Nattern uns umschlangen,
Uns die Tiger nachgegangen,
Ob der Glutwind dörrt’ den Schweiß:
Augen an den Gaben hangen
Für den König stark und weiß.“
Sonder Sorge, sonder Acht,
Wie drei stille Monde ziehen
Um des Sonnensternes Glühen,
Ziehn die Dreie durch die Nacht.
Wenn die Staublawine kracht,
Wenn mit grausig schönen Flecken
Sich der Wüste Blumen strecken,
Schaun sie still auf jene Macht,
Die sie sicher wird bedecken,
Die den Stern hat angefacht.
O ihr hohen heil’gen Drei!
In der Finsternis geboren
Hat euch kaum ein Strahl erkoren,
Und ihr folgt so fromm und treu!
Und du meine Seele, frei
Schwelgend in der Gnade Wogen,
Mit Gewalt ans Licht gezogen,
Suchst die Finsternis aufs Neu!
O wie hast du dich betrogen;
Tränen blieben dir und Reu!
Dennoch, Seele, fasse Mut!
Magst du nimmer gleich ergründen,
Wie du kannst Vergebung finden:
Gott ist über Alles gut!
Hast du in der Reue Flut
Dich gerettet aus der Menge,
Ob sie dir das Mark versenge
Siedend in geheimer Glut,
Läßt dich nimmer dem Gedränge,
Der dich warb mit seinem Blut.
Einen Strahl bin ich nicht wert,
Nicht den kleinsten Schein von oben.
Herr, ich will dich freudig loben,
Was dein Wille mir beschert!
Sei es Gram, der mich verzehrt,
Soll mein Liebstes ich verlieren,
Soll ich keine Tröstung spüren,
Sei mir kein Gebet erhört:
Kann es nur zu dir mich führen,
Dann willkommen Flamm’ und Schwert!
Die drei Magier Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay
Hätt’ einer auch fast mehr Verstand
als wie die drei Weisen aus Morgenland
und ließe sich dünken, er wäre wohl nie
dem Sternlein nachgereist, wie sie;
dennoch, wenn nun das Weihnachtsfest
seine Lichtlein wonniglich scheinen lässt,
fällt auch auf sein verständig Gesicht,
er mag es merken oder nicht,
ein freundlicher Strahl
des Wundersternes von dazumal.
Drei weise Männer Bild von Alejandra Jimenez auf Pixabay
Sie zogen auf verschiednen Bahnen
Und wollten doch zum gleichen Ziel;
Es waren hier entrollte Fahnen
Und dort und dort des Windes Spiel,
Und hier und dorten ging beladen
Der Tross mit Gaben für den Herrn:
Sie zogen auf verschiednen Pfaden
Und folgten doch demselben Stern.
Bis endlich auf ein Dach von Halmen
Der Stern sein letztes Licht ergoss,
Bei Hirtenliedern, Engelpsalmen
Sein treulich winkend Auge schloss:
Da war, da war das Ziel gefunden;
Da fanden auch die Pilger sich,
Und dienten nun in Eins verbunden
Dem gleichen Herrn demütiglich.
Und bittre Myrrhen hat der Eine
Der andre Weihrauch ihm gezollt,
Der dritte bracht ihm Edelsteine
Und Perlen der und rotes Gold;
Und jedes Opfer nahm in Gnaden
Und jeden Priester sah er gern:
Sie kamen auf verschiednen Pfaden
Und fanden doch demselben Herrn.
Wir Heiligen Drei König’, wir kommen von fern,
wir suchen den Heiland, den göttlichen Herrn.
Da stehet vor uns ein helleuchtender Stern,
er winkt uns gar freundlich, wir folgen ihm gern.
Er führt uns vorüber vorm Herodes sei’m Haus,
da schauet der falsch’ König beim Fenster heraus.
Er winkt uns so freundlich: „O kommt doch herein,
ich will euch aufwarten mit Kuchen und Wein.“
„Wir können nicht weilen, wir müssen gleich fort,
wir müssen uns eilen nach Bethlehem Ort.
Es ward uns durch Gottheit die Kunde zuteil,
daß ein Kind geboren, das der Welt bringt das Heil.“
Wir kommen im Stall an, finden das Kind,
viel schöner und holder, als Engel es sind.
Wir knien uns nieder und beten es an,
o Herr, nimm die Gabe aus Dankbarkeit an:
Gold, Weihrauch und Myrrhen, das reichen wir dir,
führ du uns dann einstens in’n Himmel von hier!
Balthasar schraubte sein Teleskop zusammen und stellte es in die Ecke.
Er stieg die Treppe hinunter und betrat das größte Zimmer des Hauses, um
sein Abendessen einzunehmen. Seine Frau wartete schon auf ihn.
„Stell dir vor“, begrüßte er seine Frau. „ich habe heute eine ganz
besondere Entdeckung gemacht. Erstmals konnte ich einen ganz besonderen
Stern beobachten.“ „Einen Stern?“, wunderte sich seine Frau. „Ja“, erwiderte
er schlicht und schob sich ein paar Oliven in den Mund, ohne darauf zu
achten, was er aß.
„Dieser Stern muss etwas Besonderes sein.“, murmelte er. „Ich muss nur
noch herausfinden, warum.“ Seine Frau schüttelte nur den Kopf. Sie hatte es
schon lange aufgegeben, sich zu wundern. Wenn ihr Mann mit seinen Sternen
beschäftigt war, interessierte ihn nichts anderes. Die nächsten Tage
beobachtete Balthasar in jeder nur möglichen Minute den Sternenhimmel.
Dann, eines schönen Tages, erklärte Balthasar, eine Reise unternehmen zu
müssen. „Es wird ein paar Tage dauern“, sagte er zu seiner Frau. „Mach dir
keine Sorgen.“ Er nahm seinen besten Esel und packte ihn mit allem
Notwendigen. Dann verließ er seine Familie und reiste dem Stern hinterher.
Täglich berechnete er den Weg des Sterns am Himmel und überlegte wo er
wohl die beste Sicht auf ihn haben würde. Dort musste ein ganz besonderer
König geboren werden. Er wusste inzwischen, dass dieser Stern auf die Geburt
eines ganz besonderen Menschen hinwies.
Da Balthasar selbst ein einflussreicher Mann war, wollte er wissen, mit
welchem König er es künftig zu tun haben würde. Er musste sich Klarheit
verschaffen. Nach einiger Zeit – er war schon mehrere Tage unterwegs
– traf er auf eine andere Reisegesellschaft.
Die Leute hielten ihn an und fragten ihn über sein Ziel aus. Zögernd kam
er mit ihnen ins Gespräch und erfuhr, dass sie dasselbe Ziel hatten wie er
selbst. „Wir heißen Melchior und Caspar und haben völlig unabhängig voneinander
den Stern am Himmel entdeckt. Genau wie du“, erklärten sie ihm. Balthasar war
beeindruckt und so beschlossen sie, gemeinsam weiter zu reisen.
Täglich beobachteten sie den Himmel, stellten ihre Berechnungen an und
marschierten am Tag in die Richtung, die ihnen der Stern nachts angegeben
hatte. Es war eine weite beschwerliche Reise. Doch endlich kamen sie nach
Jerusalem, einer bedeutenden Stadt in Israel. Da der Stern in Israel zu
verharren schien, fragten sie sich zum Palast durch. Bestimmt wurde dem
König ein Sohn geboren und dies war der König, dessen Geburt der Stern
ankündigte.
Doch Herodes, der König von Israel wusste nichts von einem Neugeborenen.
Trotzdem heuchelte er Interesse. „Wenn ihr das neugeborene Kind findet, dann
lasst es mich wissen. Ich werde ihm huldigen.“ In Wirklichkeit fürchtete er
um seine Macht. Er wollte das neugeborene Kind töten lassen.
Die drei Männer ahnten die Hinterlist des Königs und hatten auch nicht vor,
zu ihm zurück zu kommen. Doch sie verabschiedeten sich freundlich von ihm.
Dann machten sie sich auf den Weg, um das Kind endlich zu finden.
Endlich – sie waren gerade in Bethlehem angekommen – schien der Stern
still zu stehen. Plötzlich merkten die Männer, dass sich irgendetwas
veränderte. Obwohl es Nacht war und die meisten Menschen schliefen, war
eine Unruhe auf den Straßen. Hirten liefen herum und hatten anscheinend
ihre Herden alleine gelassen. Sie riefen einander zu: „Der Heiland ist
geboren!“
Balthasar, Caspar und Melchior hielten die Hirten auf. „Was erzählt
ihr hier?“ „Edle Herren!“, klärten die Hirten die Männer auf. „Einer ist
geboren worden, der ist mehr wert als Ihr alle miteinander, Mehr wert als
wir samt unseren Herden. Er ist mehr als alle Menschen auf der Welt.
Er ist der Sohn Gottes selber!“
Die drei Sternenkundige steckten aufgeregt ihre Köpfe zusammen. „Das also
ist der große König, dessen Geburt mit diesem Stern angezeigt wird. Natürlich
– kein König, sondern Gottes Sohn selber! So gesehen: Der größte König
aller Zeiten!“ Schnell legten sie jetzt die letzten Meter zurück und eilten
zum Stall, so wie ihnen die Hirten den Weg gewiesen hatten.
Vorsichtig betraten sie die armselige Behausung und überzeugten sich davon,
dass Gottes Sohn selber in einer Krippe lag. Jeder von ihnen hatte ein Geschenk
für einen König dabei: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Das gaben sie jetzt dem Kind
in der Krippe!
Sie knieten sich vor dem Kind nieder und bekannten: Gottes Sohn ist geboren
– der Stern hat es bezeugt!
Außer Caspar, Melchior und Balthasar war auch ein vierter König aus
dem Morgenland aufgebrochen, um dem Stern zu folgen, der ihn zu dem
göttlichen Kind führen sollte. Dieser vierte König hieß Coredan.
Drei wertvolle rote Edelsteine hatte er zu sich gesteckt und mit den
drei anderen Königen einen Treffpunkt vereinbar. Doch Coredans Reittier
lahmte unterwegs. Er kam nur langsam voran, und als er bei der hohen
Palme eintraf, war er allein. Nur eine kurze Botschaft, in den Stamm
des Baumes eingeritzt, sagte ihm - dass die anderen drei ihn in Bethlehem
erwarten würden.
Coredan ritt weiter ganz in seinem Wunschtraum versunken Plötzlich
entdeckte er am Wegrand ein Kind, bitterlich weinend und aus mehreren
Wunden blutend. Voll Mitleid nahm der das Kind auf sein Pferd und ritt
in das Dorf zurück, durch das er zuletzt gekommen war. Er fand eine Frau,
die das Kind in Pflege nahm. Aus seinem Gürtel nahm er einen Edelstein
und vermachte ihn dem Kind, damit sein Leben gesichert sei.
Doch dann ritt er weiter, seinen Freunden nach. Er fragte die Menschen
nach dem Weg, denn den Stern hatte er verloren. Eines Tages erblickte er
den Stern wieder, eilte ihm nach und wurde von ihm durch eine Stadt
geführt. Ein Leichenzug begegnete ihm. Hinter dem Sarg schritt eine
verzweifelte Frau mit ihren Kindern. Coredan sah sofort, dass nicht allein
die Trauer um den Toten diesen Schmerz hervorrief. Der Mann und Vater
wurde zu Grabe getragen. Die Familie war in Schulden geraten, und vom
Grabe weg sollten die Frau und die Kinder als Sklaven verkauft werden.
Coredan nahm den zweiten Edelstein aus seinem Gürtel, der eigentlich
dem neugeborenen König zugedacht war. „Bezahlt, was ihr schuldig
seid, kauft euch Haus und Hof, und Land, damit ihr eine Heimat habt!“
Er wendete sein Pferd und wollte dem Stern entgegen reiten - doch dieser
war erloschen. Sehnsucht nach dem göttlichen Kind und tiefe Traurigkeit
überfielen ihn. War er seiner Berufung untreu geworden? Würde er sein Ziel
nie erreichen?
Eines Tages leuchtete ihm sein Stern wieder auf und führte ihn durch
ein fremdes Land, in dem Krieg wütete. In einem Dorf hatten Soldaten
die Bauern zusammengetrieben, um sie grausam zu töten. Die Frauen schrien
und Kinder wimmerten. Grauen packte den König Coredan, Zweifel stieg in
ihm auf. Er besaß nur noch einen Edelstein - sollte er denn mit leeren
Händen vor dem König der Menschen erscheinen?
Doch dies Elend war so groß, dass er nicht lange zögerte, mit
zitternden Händen seinen letzten Edelstein hervorholte und damit die
Männer und das Dorf vor der Verwüstung loskaufte. Müde und traurig ritt
Coredan weiter. Sein Stern leuchtete nicht mehr. Jahrelang wanderte er.
Zuletzt zu Fuß, da er auch sein Pferd verschenkt hatte. Schließlich
bettelte, er, half hier einem Schwachen, pflegte dort Kranke; keine Not
blieb ihm fremd. Und eines Tages kam er am Hafen einer großen Stadt
gerade dazu, als ein Vater seiner Familie entrissen und auf ein
Sträflingsschiff, eine Galeere, verschleppt werden sollte. Coredan flehte
um den armen Menschen und bot sich dann selbst an, anstelle des
Unglücklichen als Galeerensklave zu arbeiten.
Sein Stolz bäumte sich auf, als er in Ketten gelegt wurde. Jahre
vergingen. Er vergaß, sie zu zählen. Grau war sein Haar, müde sein
zerschundener Körper geworden. Doch irgendwann leuchtete sein Stern
wieder. Und was er nie zu hoffen gewagt hatte, geschah. Man schenkte
ihm die Freiheit wieder; an einer fremden Küste wurde er an Land
gelassen. In dieser Nacht träumte er von seinem Stern, träumte von
seiner Jugend, als er aufgebrochen war, um den König aller Menschen
zu finden. Eine Stimme rief ihn: „Eile, eile!“ Sofort
brach er auf, er kam an die Tore einer großen Stadt. Aufgeregte
Gruppen von Menschen zogen ihn mit, hinaus vor die Mauern. Angst
schnürte ihm die Brust zusammen. Einen Hügel schritt er hinauf.
Oben ragten drei Kreuze.
Coredans Stern, der Ihn einst zu dem Kind führen sollte, blieb
über dem Kreuz in der Mitte stehen, leuchtete noch einmal auf und
war dann erloschen. Ein Blitzstrahl warf den müden Greis zu Boden.
„So muss ich also sterben“, flüsterte er in jäher
Todesangst, „sterben, ohne dich gesehen zu haben? So bin ich
umsonst durch die Städte und Dörfer gewandert wie ein Pilger, um
dich zu finden, Herr?“ Seine Augen schlossen sich. Die Sinne
schwanden ihm. Da aber traf ihn der Blick des Menschen am Kreuz,
ein unsagbarer Blick der Liebe und Güte. Vom Kreuz herab sprach die
Stimme: „Coredan, du hast mich getröstet, als ich jammerte,
und gerettet, als ich in Lebensgefahr war; du hast mich gekleidet,
als ich nackt war!“
Ein Schrei durchbebte die Luft - der Mann am Kreuze neigte das
Haupt und Coredan erkannte mit einemmal: Dieser Mensch ist der König
der Weit. Ihn habe ich gesucht in all den Jahren. Er hatte ihn nicht
vergebens gesucht; er hatte ihn doch gefunden.
Die vornehmen Leute aus dem Osten hatten den Stall und die Krippe
noch nicht lange verlassen, da trug sich eine seltsame Geschichte in
Betlehem zu, die in keinem Buch verzeichnet ist.
Als die Reitergruppe der Könige gerade am Horizont verschwand,
näherten sich drei merkwürdige Gestalten dem Stall.
Die erste trug ein buntes Flickenkleid und kam langsam näher. Zwar
war sie wie ein Spaßmacher geschminkt, wirkte aber hinter ihrer
lustigen Maske eigentlich sehr, sehr traurig. Erst als sie das Kind
sah, huschte ein leises Lächeln über ihr Gesicht. Vorsichtig trat sie
an die Krippe heran und strich dem Kind zärtlich über das Gesicht:
„Ich bin die Lebensfreude“ sagte sie. „Ich komme zu
dir, weil die Menschen nichts mehr zu lachen haben. Sie haben keine
Freude mehr am Leben. Alles ist so bitterernst geworden.“ Dann zog sie
ihr Flickengewand aus und deckte das Kind damit zu. „Es ist kalt in
dieser Welt. Vielleicht kann dich der Mantel des Clowns wärmen und
schützen.“
Darauf trat die zweite Gestalt vor. Wer genau hinsah, bemerkte
ihren gehetzten Blick und spürte, wie sehr sie in Eile war. Als sie
aber vor das Kind in der Krippe trat, schien es, als falle alle Hast
und Hektik von ihr ab. „Ich bin die Zeit“, sagte sie
und strich dem Kind zärtlich über das Gesicht. „Eigentlich gibt es
mich kaum noch. Die Zeit, sagt man, vergeht wie im Flug. Darüber haben
die Menschen aber ein großes Geheimnis vergessen. Die Zeit vergeht
nicht. Zeit entsteht. Sie wächst überall dort, wo man sie teilt.“
Dann griff die Gestalt in ihren Mantel und legte ein Stundenglas in
die Krippe. „Man hat wenig Zeit in dieser Welt. Diese Sanduhr schenke
ich dir, weil es noch nicht zu spät ist. Sie soll dir ein Zeichen
dafür sein, dass du immer so viel Zeit hast, wie du dir nimmst und
anderen schenkst.“
Dann kam die dritte Gestalt an die Reihe. Sie hatte ein geschundenes
Gesicht voller dicker Narben, so als ob sie immer und immer wieder
geschlagen worden wäre. Als sie aber vor das Kind in der Krippe trat,
war es als heilten die Wunden und Verletzungen, die ihr das Leben
zugefügt haben musste. „Ich bin die Liebe“, sagte die
Gestalt und strich dem Kind zärtlich über das Gesicht. „Es heißt, ich sei
viel zu gut für diese Welt. Deshalb tritt man mich mit Füßen und macht
mich fertig.“ Während die Liebe so sprach, musste sie weinen und drei
dicke Tränen tropften auf das Kind. „Wer liebt, hat viel zu leiden in
dieser Welt. Nimm meine Tränen. Sie sind das Wasser, das den Stein
schleift. Sie sind wie der Regen, der den verkrusteten Boden wieder
fruchtbar macht und selbst die Wüste zum Blühen bringt.“ Und die Tränen
verwandelten sich in drei wunderschöne blühende rosa Rosen.
Da knieten die Lebensfreude, die Zeit und die Liebe vor dem Kind des
Himmels. Drei merkwürdige Gäste, die dem Kind ihre Gaben gebracht hatten.
Das Kind aber schaute die drei an, als ob es sie verstanden hätte.
Plötzlich drehte sich die Liebe um und sprach zu den Menschen. „Man
wird dieses Kind zum Narren machen, man wird es um seine Lebenszeit
bringen und es wird viel leiden müssen, weil es bedingungslos lieben
wird. Aber weil es Ernst macht mit der Freude und weil es seine Zeit
und seine Liebe verschwendet, wird die Welt nie mehr so wie früher sein.
Wegen dieses Kindes steht die Welt unter einem neuen guten Stern, der
alles andere in den Schatten stellt.“
Darauf standen die drei Gestalten auf und verließen den Ort. Die
Menschen aber, die all das miterlebt hatten, dachten noch lange über
diese rätselhaften Worte nach.
Auch unser Leben und unsere Zeit stehen seit der Geburt Jesu unter
einem neuen guten Stern, der alles Dunkle hell macht und alle
Verletzungen heilt. Das ist die große Freude, die allem Volk zuteil wird,
auch mir und dir.
Drei Kön’ge wandern aus Morgenland;
ein Sternlein führt sie zum Jordanstrand.
In Juda fragen und forschen die drei,
wo der neugeborene König sei.
Sie wollen Weihrauch, Myrrhen und Gold
dem Kinde spenden zum Opfersold.
Und hell erglänzet des Sternes Schein,
zum Stalle gehen die Kön’ge ein;
das Knäblein schauen sie wonniglich,
anbetend neigen die Kön’ge sich;
sie bringen Weihrauch Myrrhen und Gold
zum Opfer dar dem Knäblein hold.
O Menschenkind, halte treulich Schritt!
Die Kön’ge wandern, o wand’re mit!
Der Stern der Liebe, der Gnade Stern,
erhelle dein Ziel, so suchst du den Herrn;
und fehlen Weihrauch, Myrrhen und Gold:
schenke dein Herz dem Knäblein hold!