Wie hab ich das gefühlt was Abschied heißt.
Wie weiß ichs noch: ein dunkles unverwundnes
grausames Etwas, das ein Schönverbundnes
noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt.
Wie war ich ohne Wehr, dem zuzuschauen,
das, da es mich, mich rufend, gehen ließ,
zurückblieb, so als wärens alle Frauen
und dennoch klein und weiß und nichts als dies:
Ein Winken, schon nicht mehr auf mich bezogen,
ein leise Weiterwinkendes –, schon kaum
erklärbar mehr: vielleicht ein Pflaumenbaum,
von dem ein Kuckuck hastig abgeflogen.
Das ist der Herbst; die Blätter fliegen,
Durch nackte Zweige fährt der Wind;
Es schwankt das Schiff, die Segel schwellen -
Leb wohl, du reizend Schifferkind!
Sie schaute mit den klaren Augen
Vom Bord des Schiffes unverwandt,
Und Grüße einer fremden Sprache
Schickte sie wieder und wieder ans Land.
Am Ufer standen wir und hielten
Den Segler mit den Augen fest -
Das ist der Herbst! wo alles Leben
Und alle Schönheit uns verlässt.
Der Herbst wird nicht nur als Jahreszeit, sondern als Metapher für einen Abschied oder das Ende einer Phase dargestellt. Ein Schiff trägt scheinbar eine geliebte Person davon. Es ist ein schmerzhafter Abschied. Symbolisiert wird das durch den Herbst und ein wegfahrendes Schiff. Einfache Sprache und freie Form unterstreichen die traurige, melancholische Stimmung des Gedichts.
Tag für Tag zog es Lea hin,
zur Hütte am Grünen See.
Dort dachte sie oft an ihn,
den sie verlor an Dorothee.
Die einstige Freundin – über Nacht,
nahm ihr den Freund, den sie geliebt.
Sie hätte nicht im Traum gedacht,
dass es solche Freundinnen gibt.
Der Herbst verging, es wurde kalt,
ihr Platz, er blieb am Grünen See.
Vor der Hütte, am lichten Wald,
da saß auch Freundin Dorothee.
Was geschehen, was einst passiert,
das konnte Lea durch sie erfahren.
Ihr Freund, der sich so gern amüsiert,
hatte Affären schon seit vielen Jahren.
Man sprach sich aus, auch half die Zeit.
Der Freundin „Raub“ war schnell verziehn.
Es zeigten sich beide grundgescheit,
es ginge viel besser – ohne ihn.
In der Hütte am Grünen See,
leben sie glücklich, weil zu zweit.
Gestorben ist die Grundidee,
an jenen Kerl, der sie entzweit.
Den Duft von geschenktem Moschus
unter Verschluss gebracht.
Die Hülle unseres Lieblingssongs
als Lesezeichen in die Akte gesteckt.
Die Hochzeitsfotos
mit schwarzen Luftballons übermalt.
Die Wandflecken vom letzten Krach
mit Lösungsmitteln entfernt.
Das brünette Beweisfoto
in Streifen geschnitten.
Aus deinen Abschiedsbrief
einen Papiervogel gebastelt.
Den überlassenen Schlüssel
verwahrt, für alle Fälle.
Das Scheidungsurteil
zwischen Buchseiten geklemmt.
Den zersprungenen Heiligenschein
in den Sondermüll geworfen.
„Wir stehn am Gleis, ich seh’ Dich an,
Du warst mein Bub, Du bist ein Mann.
Du willst hinaus, willst Willen zeigen.
Dein Leben sprüht, mir bleibt mein Schweigen.“
„Mein Schweigen will, dass Dir nichts geschieht.
Tue nie Dummes, Du kennst mein Lied.
Die Jugend schaut auf freie Räume.
Ich sehe Gräber, Steine, Bäume.“
„Nun, geh’ schon und zögere nicht.
Du wirst viel sehen, auch Dunkel und Licht.
Erlaube mir mein stilles Glück.
Vergiss mich nicht, komm’ gesund zurück!“
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Man sagt:
Der Berg ist groß. Die Welt ist klein.
Wie werden wir ohne dich sein?
Zum Abschied sagt man: „Lebe wohl!“
Fühle mich nur im Kopf so hohl.
Sorgen sorgen für ein ganzes Leben.
Was könnte ich zum Trost dir geben?
Der Berg, er geht nicht zum Propheten.
Warst da! Wolltest[1] dich nicht verspäten.
Ein rechter Mensch[2] sucht die rechte Welt.
Der Tod hat sich leider hinzugesellt.
Ich lass’ für dich brennen viele Kerzen.
Du, die Freundin so vieler Herzen.
Laura Dahlmeier im Jahr 2018 Foto: Martin Rulsch, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Laura Dahlmeier war eine Biathletin und Alpinistin, die bei einem Bergunfall im Jahr 2025 ums Leben gekommen ist
[1]Wolltest … → Ihr Buch: „Wenn ich was mach, mach ich’s richtig.“