Die Heiratsanzeige
Szene: Anzeigenredaktion der Tageszeitung
Darsteller(in) | Text |
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Er: | Guten Tag. |
Sie: | Womit kann ich dienen? |
Er: | Da es mir an anderer Gelegenheit fehlt, möchte ich bei Ihnen eine Heiratsanzeige aufgeben. |
Sie: | Haben Sie besondere Wünsche? |
Er: | Ich war noch nie in meinem Leben anspruchsvoll. |
Sie: | Also können wir gleich mit dem Aufsetzen beginnen. (Sie flüstert schreibend die Worte nach.) |
Er: | Eine junge, anständige Frau, aus gutem Hause, mit blauen Augen und blondem Haar. |
Sie: | Muss es unbedingt blond sein? |
Er: | Ja, denn für blond hatte ich schon in der Kindheit eine Vorliebe, was Mutters Honigglas gerade nicht zuliebe kam. |
Sie: | Weiter. |
Er: | Ansehnliche Mitgift, Schuhgröße 43. |
Sie: | (lacht) Warum denn ausgerechnet Schuhgröße 43? |
Er: | Wissen Sie, meine Tante in Amerika hat mir letztes Jahr einen ganzen Waschkorb voll ihrer getragenen Schuhe geschickt, und da wäre es gut, wenn sie meine Frau auftragen könnte. |
Sie: | Weiter. |
Er: | Die Klavier spielen kann. |
Sie: | Waas Klavier spielen! Haben sie überhaupt ein Klavier? |
Er: | Nein, das grad nicht, aber ich meine halt, dass es einer Frau gut ansteht, wenn sie's kann! |
Sie: | Weiter. |
Er: | Zwecks baldiger Heirat gesucht. So, nun reicht's. |
Sie: | (liest die ganze Anzeige vor) Eine junge anständige Frau aus gutem Hause, mit blauen Augen, und blondem Haar, ansehnliche Mitgift, Schuhgröße 43, die Klavier spielen kann, zwecks baldiger Heirat gesucht. (Sie rechnet den Preis aus, zählt) 2 + 4 + 6 = 12, also 12 x 3 = 36 Euro. |
Er: | Waas? 36 Euro? Das ist zuviel. Wer weiß, ob eine Frau überhaupt solch eine Summe wert ist. |
Sie: | Wir können ja manche Worte streichen, dann wird's schon billiger. |
Er: | Also fangen wir von vorne an. |
Sie: | Eine |
Er: | Streichen. Ist doch klar, dass ich keine drei will. |
Sie: | junge |
Er: | Streichen. Ist ja logisch, dass ich keine Großmutter mehr heiraten will. |
Sie: | anständige |
Er: | Das lassen, anständig muss sie sein. |
Sie: | Frau |
Er: | Streichen! Hat noch keiner einen Mann geheiratet. |
Sie: | aus gutem Hause |
Er: | Streichen! Ist mir doch egal, ob das Haus gut ist, aus dem sie kommt. |
Sie: | mit blauen Augen |
Er: | Streichen! Dem kann man, wenn's Not tut, ein bisschen nachhelfen. |
Sie: | und blondem Haar |
Er: | Streichen! Wer weiß, ob das bis dahin noch Mode ist. |
Sie: | ansehnlichen Mitgift |
Er: | „ansehnlich“ streichen. Was schert mich das, ob die Mitgift ansehnlich ist oder nicht, Hauptsache, sie hat was. |
Sie: | Schuhgröße 43 |
Er: | Streichen! Wenn die mal so 2 Monate meine Frau ist, passt sie sowieso in keine Schlappen mehr. |
Sie: | die Klavier spielen kann. |
Er: | Streichen! Der wird ich schon selber die Saiten aufziehen. |
Sie: | zwecks baldiger Heirat |
Er: | Zwecks baldiger Heirat streichen! Ist doch klar, dass ich keine 30 Jahre mehr warten kann. |
Sie: | Sie sind sehr genau in solchen Dingen. |
Er: | Kennen Sie nicht das kleine Verslein? Bei manchem Heiratsinserat fällt man gar gründlich rein, man schreibt einen Brief, bekommt ein Bild, das muss ´ne Schönheit sein, doch stehst du vor dem Traualtar, erschrickst du wie noch nie, da kannst du gar nichts machen, da stehst du machtlos vis-à-vis. |
Sie: | So, nun will ich mal sehen, was noch übrig bleibt. (Laut) Anständige Mitgift gesucht! |
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