Der Kurgast, Gedicht – Festgestaltung

Der Kurgast

Ich komm von der Kur.
Ich kann Euch sagen, das war eine Tortur.
In Bad Westernkotten am Osterbach, ganz bekannt,
zwischen Allgäu und Westerland.
Und Kurschatten gab's dort, ganz einsame Klasse
ein Eldorado der Ortskrankenkasse.
Zum Kurschatten hat man Therapie vierzehn gesagt,
sie gab Sex und er gab acht.

Also vor meiner Kur war ich krank unerhört.
Mich hat ja die Mücke an der Wand schon gestört.
Mein Arzt Dr. Pille hat gesagt: Wir werden Sie im Winter in Kur schicken.
Da gibt's, Gott sei Dank, keine Mücken.
Ach, ich war meist schlecht gelaunt, ich war ein Stimmungszerstörer.
Der einzige, der bei uns aufgelegt war, war der Telefonhörer.
Morgens, mittags und abends Tabletten und Tropfen.
Und das Schwindelgefühl schon nach sieben, acht Schoppen.
Dann dieses Pfeifen im Ohr. Du, da kriegt man was an sich,
Der Doktor hat gemeint, mein Ohrenschmalz sei ranzig.

Beim Messen vom Blutdruck, ich denke, der irrt sich,
hat ich zweihundertachtzig zu einhundertvierzig.
Sagt der Doktor: „Gefährlich, oho!“
Zum Glück war ich noch in Gütersloh.
Gelenkschmerzen, meint er, kämen von den Zähnen dann und wann.
Ich hab sie mit der Olga getauscht, hat noch genauso weh getan.
Ich habe Tabletten geschluckt, zwanzig Sorten gewiss
Alle lateinisch beschrieben, damit man weiß, was es is.
Denn nimmt man eine Entblähungstablette nicht nach Vorschrift, ohne zu bluffen,
sie würde sinnlos verpuffen.
Das Schlimmste, ich bekam auch Zäpfchen mitunter.
Die hab ich in Schnaps aufgelöst, die kriegt ich sonst nicht runter.
Und nach vielem Weh und Ach
hat er mir die Kur verschrieben in Bad Westernkotten am Osterbach.

Am 30. ging's los, wie wir eingangs schon sagten,
leicht zu merken, weil's neun Tage vorm achten.
So ging ich zum Bahnhof, keine Wut mehr im Bauch.
Ich war so richtig gelöst, meine Fahrkarte auch.
Im Koffer, den Olga und ich gepackt hatten,
zwei Ersatzunterhosen und vierzehn Krawatten.
Statt Toilettenpapier, das war uns zu teuer,
eine Flasche After Shave, das brennt bloß wie Feuer.
Die Bahnfahrt zog sich sehr in die Länge.
Aber dann waren wir da, am Bahnhof großes Gedränge.
Auf'm Weg zum Kurheim war vor Angst ich am Schwitzen,
ich hab sofort gemerkt, die behandeln mit Spritzen.
An der zehn Meter langen Halle stand, da kriegst du die Motten:
Spritzenhaus Bad Westernkotten.

Das Kurhaus, schon etwas älter, vollkommen klar,
zumal hier Parterre im Erdgeschoss war.
Die Empfangsschwester fragte mich, also die war wirklich nett:
„Hätten Sie gern einen Nachtstuhl?“, „Ne“, sag ich, „ich schlaf lieber im Bett!“
Dann die Größe von meinem Zimmer, die werde ich niemals vergessen.
Da konntest du die Salzstangen nur hochkant essen.
Und dieses Zimmer musst ich vier Wochen fast,
mit einem Kumpel teilen, der war vorher im Knast.
Mein Kriminalblick hat das sofort entdeckt.
Der hatte zwei Tuben Haftcreme im Koffer versteckt.
Von Beruf war er Winzer, ganz ohne Debatte.
Man hat's gesehen, weil er noch die Lesebrille aufhatte.
Nach acht Tagen Kur hatte ich schon 12 Kilo mehr.
Ich hat' Schmerzen im Leib, also unheimlich schwer.
Ich konnte nicht aufs WC, weil die Schwester, die Dolle
gesagt hat, dass ich Diät acht Tage einhalten solle.
Danach musst ich täglich, das war mir am Stinken
hinunter ins Kurhaus, Thermalwasser trinken.
Ich sag euch, das Zeug hat geschmeckt,
wie eine Mischung aus Brusttee und indischem Sekt.

Am Kurbrunnen konntest du Kurgäste sehen,
Beamte und auch LVA-Hotvolé.
Da haben manche die Show abgezogen.
Soviel wie in Kur wird ja niemals gelogen.
Hatten die Brillant-Nadel in die Krawatte getippelt
und die Senkel im Schuh fünfmal geknüppelt.
Haben wichtig geschlürft und geprostet sich zu,
und ganz vornehm gerülpst, nicht wie daheim, wie ne Kuh.
Ein Ehepaar tat ganz vornehm dort machen.
Die hatten zu zweit ein Gebiss, es konnte immer nur einer lachen.
Manche haben am Glas nur ganz vornehm genippt,
ich hab' gleich zwei Gläser runtergekippt.
Aber die Wirkung kam plötzlich, nicht übertrieben,
ich bin hundert Meter gerannt in 8,7,
in Richtung WC, doch vor der Benutzung
hatte ich eine Anzeige wegen Umweltverschmutzung.
So wurde ich als sportliches As bekannt
und Nurmi von der Ortskrankenkasse genannt.

Die Kurkapelle war musikalisch galant,
auch Rheumatiker-Band genannt.
Mit James Last waren die nicht zu vergleichen,
der Stehgeiger konnte nur noch im Sitzen geigen.
Und der Bassgeiger hat sich, ungelogen,
nach der Verbeugung am Instrument hochgezogen.
Haben vom Blatt nur gespielt, die Lieder, die alten,
die Mückenschisse scheinbar für Noten gehalten.

Der Kurarzt, mal ganz konkret ausgedrückt,
war eine Kapazität. Wie der mich untersucht hat, ich sag euch das Ene,
der hatte so einen Bundesbahnscheitel, jede Station eine Strähne.
„Ich muss sie untersuchen, natürlich ganz nackt.“
Ich sage: „Herr Doktor, mal nicht übertreiben.
Von mir aus können sie angezogen bleiben.“
Dann merk' ich, nur am Rande erwähnt,
mit dem Ausziehen hat er scheinbar mich gemeent.
Dann horcht er mich ab, sagt: „Ich hör was murmeln hier.“
Ich sag: „Das ist der Harzer Käse vom Frühstück, der plaudert mit mir.“
Er sagt dann: „Bitte rumdrehen und möglichst tief bücken.“
Praktisch Auge in Augen begann er zu fühlen und drücken.
Mit Gummihandschuhen, das sind so ärztliche Tricke,
wenn was schief geht, sieht man keine Fingerabdrücke.
Klopft mir auf den Linken und sagt danach:
„Es ist alles in Ordnung, nur das Herz etwas schwach.“
Da könnt ihr mal sehn, ich wusste nicht bis dann,
dass der von hinten durch bis ans Herz sehen kann.

Ich hätte bald vergessen, also nicht übertrieben,
der Doktor hat mir ein Moorbad verschrieben.
Doch weil es sehr anstrengt, meinte er, dass
ich solle nur mit dem halben Körper ins Fass.
Wie ich vor dem Fass steh, ich hätte bald geweint,
ach, denk ich, das muss nun wirklich nicht sein
und setz mich bis zum Nabel hinein.
Nach fünf Minuten bin ich geschickt
dann vorwärts getaucht, also Handstand gedrückt.
Wie der Bademeister mich abspritzt, nach 10 Minuten genau,
sagt er: „Sie sind wohl neu hier, gnädige Frau!“

Vorbei ist die Kur der Gesundheit zum Wohl.
Jetzt brauch ich 5 Wochen bis ich mich erhol'.
Ich nehme jetzt meine Tablette und werde von dannen trotten,
Euer Kurgast aus Bad Westernkotten.

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