365 Tage brachte uns das alte Jahr,
heut stellt sich die Frage,
wird’s neue so wie’s alte war?
Lohnt es sich darüber nachzudenken?
Grübeln über Vergangenheit?
Gott wird ein neues Jahr uns schenken.
Nehmt es doch an in Dankbarkeit!
Und was das neue Jahr auch bringt,
ein Glück, dass wir es noch nicht wissen.
Wichtig ist, dass uns gelingt,
es in Gesundheit abzuschließen.
Das Jahr geht um,
der Faden rollt sich sausend ab.
Ein Stündchen noch, das letzte heut,
Und stäubend rieselt in sein Grab,
was einstens war lebendge Zeit.
Ich harre stumm.
Das Jahr geht um,
Der Faden rollt sich sausend ab.
Ein Stündchen noch, das letzte heut,
Und stäubend rieselt in sein Grab,
Was einstens war lebend'ge Zeit.
Ich harre stumm.
's ist tiefe Nacht!
Ob wohl ein Auge offen noch?
In diesen Maürn rüttelt dein
Verrinnen, Zeit! Mir schaudert doch.
Es will die letzte Stunde sein
Einsam durchwacht.
Geschehen all,
Was ich begangen und gedacht,
Was mir aus Haupt und Herzen stieg:
Das steht nun eine ersnte Wacht
Am Himmelstor. O halber Sieg!
O schwerer Fall!
Wie reisst der Wind
Am Fensterkreuze! Ja, es will
Auf Sturmesfittiche das Jahr
Zerstäuben, nicht ein Schatten still
Verhauchen unterm Sternenklar.
Du Sündenkind!
War nicht ein hohl
Und heimlich Sausen jeden Tag
In deiner wüsten Brust Verlies,
Wo langsam Stein an Stein zerbrach,
Wenn es den kalten Odem stiess
Vom starren Pol?
Mein Lämpchen will
Verlöschen, und begierig saugt
Der Docht den letzten Tropfen öl.
Ist so mein Leben auch verraucht?
Eröffnet dich des Grabes Höhl
Mir schwarz und still?
Wohl in dem Kreis,
Den dieses Jahres Lauf umzieht,
Mein Leben bricht. Ich wusst es lang,
Und dennoch hat dies Herz geglüht
In eitler Leidenschaften Drang.
Mir bricht der Schweiss
Der tiefsten Angst
Auf Stirn und Hand. Wie? dämmert feucht
Ein Stern dort durch die Wolken nicht?
War es der Liebe Stern vielleicht,
Dir zürnend mit dem trüben Licht,
Dass du so bangst?
Horch, welch Gesumm?
Und wieder? Stebemelodie!
Die Glocke regt den ehrnen Mund.
O Herr, ich falle auf das Knie:
Sei gnädig meiner letzten Stund!
Das Jahr ist um!
Habe ein heitres, fröhliches Herz
Januar, Februar und März,
Sei immer mit dabei
In April und Mai,
Kreische vor Lust
In Juni, Juli und August,
Habe Verehrer, Freunde und Lober
In September und Oktober,
Und bleibe meine gute Schwester
Bis zum Dezember und nächsten Silvester.
Uhren – aktuelle Zeit anzeigen/Zeitspanne messen Bild von Couleur auf Pixabay
Ein Jahr ist nichts, wenn man’s verputzt,
ein Jahr ist viel, wenn man es nutzt.
Ein Jahr ist nichts; wenn man’s verflacht;
ein Jahr war viel, wenn man es ganz durchdacht.
Ein Jahr war viel, wenn man es ganz gelebt;
in eigenem Sinn genossen und gestrebt.
Das Jahr war nichts, bei aller Freude tot,
das uns im Innern nicht ein Neues bot.
Das Jahr war viel, in allem Leide reich,
das uns getroffen mit des Geistes Streich.
Ein leeres Jahr war kurz, ein volles lang:
nur nach dem Vollen misst des Lebens Gang,
ein leeres Jahr ist Wahn, ein volles wahr.
Sei jedem voll dies gute, neue Jahr.
Ein neues Jahr beginnt wieder und ist nicht befleckt,
so dass es in uns Menschen große Hoffnung weckt.
Wohlwollend mögen die Tage des Jahrs zu uns sein
und uns verschonen vor Krankheit, Sorgen und Pein.
Wir Menschen wünschen uns sehr gesund zu bleiben,
möchten gute Erinnerungen ins Gedächtnis schreiben.
Die Zeit möge uns Begegnungen und Ideen schenken
und unseren Blick auf das Schöne des Lebens lenken.
Kraft kann uns das Gebet schenken und die Natur.
Sie zeigt uns in ihrer Schönheit des Schöpfers Spur.
Er möge uns behüten, über uns halten seine Hand,
damit wir unser „Lebenshaus“ nicht bauen auf Sand.
Frohes Neues Jahr! Foto von Kateryna Hliznitsova auf Unsplash
Hoffen und Vertraun
Deutsches Sprichwort
Ein neues Jahr nimmt seinen Lauf.
Die junge Sonne steigt herauf.
Bald schmilzt der Schnee, bald taut das Eis.
Bald schwillt die Knospe schon am Reis.
Und ob wir nicht bis morgen schaun,
Wir wollen hoffen und vertraun.
Ich will es diesmal anders halten,
will nicht Vergangenes verwalten,
sondern will das Neue Jahr herzlich gern begrüßen
und schon den ersten Tag genießen.
Kein Jammern, nein, ich hab’ es satt,
ich will mich freuen und anstatt
ständig nur zurückzuschauen, zu drehen und zu wenden,
will ich Frohsinn heut’ versenden.
Packen wir die Dinge an
mit frischem Mut und viel Elan!
Herausgefordert hat das Leben uns von Anbeginn,
ja, das ist doch des Leben’s Sinn!
Auf, auf, lasst euch nicht länger stoppen,
lasst doch das Leben wieder locken,
mit allen seinen schillernden Facetten,
wir sind doch keine Marionetten!
Eines macht nun wirklich Sinn:
Ein Prosit – also – auf den Neubeginn!
Feuerwerk um Mitternacht an Silvester Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay
Die Kirchturmglocke
schlägt zwölfmal Bumm.
Das alte Jahr ist wieder mal um.
Die Menschen können sich in den Gassen
vor lauter Übermut gar nicht mehr fassen.
Sie singen und springen umher wie die Flöhe
und werfen die Mützen in die Höhe.
Der Schornsteinfegergeselle Schwerzlich
küßt Konditor Krause recht herzlich.
Der alte Gendarm brummt heute sogar
ein freundliches: Prosit zum neuen Jahr.
Ist schon wieder Jahresende?
Egal, wie ich es dreh’ und wende
es ändert nichts daran
bald schon fängt ein Neues an.
Freud und Leid war dabei
egal - es ist vorbei.
Was steht vor der Tür?
Was mag es sein, was bringt man mir?
Auch das muß jetzt noch nicht belasten
besser ist es, mal zu rasten,
ein bißchen zu verweilen,
anstatt ständig nur zu eilen.
Ein bißchen innehalten, hier und jetzt
so daß für dieses Jahr zu guterletzt
ein bißchen Ruhe einkehrt und Besinnen
dann kann ein Neues bald beginnen.
Ich wünsche dir einen guten Rutsch zu gegebener Stunde
und einen frohen Start zur neuen Runde
Glück, Gesundheit, Wohlergehen
und daß die Menschen sich verstehen.
„Morgen fängt nun wieder ein Neues Jahr an.
Jahraus, jahrein, fast immer die gleiche Leier!
Man verliert zunehmend Dynamik und Elan!“,
sagt resignierend Herr Müller zu Herrn Meier.
Die zwei lassen Ereignisse Revue passieren,
die ihnen das vergangene Jahr hat gebracht.
Es klingt, als möchten sie von vorn anfangen,
wenn die Turmglocke schlägt um Mitternacht.
„Älter wird man und auch kränker!“, sagt einer,
„doch was hilft es – man rafft sich wieder auf,
gibt dem Neuen Jahr und sich eine Chance,
denn es nimmt ja eh wie es will seinen Lauf!“
So wünscht der eine Freund dem anderen:
„Gesundheit, einen guten Rutsch, viel Glück!“
In einem Jahr werden sie wieder dort stehen
und sich wehmütig erinnern, Stück für Stück.
Wunderkerze in der Hand Foto von Marisol Benitez auf Unsplash
Jeder wünscht sich langes Leben,
seine Kisten voller Geld,
Wiesen, Wälder, äcker, Reben -
Klugheit, Schönheit, Ruhm der Welt,
doch wenn alles würde wahr
was man wünscht zum neün Jahr,
dann erst wär es um die Welt,
glaubt es, jämmerlich bestellt.
Lebten alle tausend Jahre,
was gewönnen wir dabei?
Kahle Köpfe, graü Haare
und das ew’ge Einerlei!
Im erschrecklichen Gedränge
ungeheurer Menschenmenge
würden Stadt und Dorf zu enge,
und die ganze Welt zu klein.
Niemand könnte etwas erben,
denn es würde keiner sterben;
und wer möchte Doktor sein?
Wäre jedermann so reich,
als wohl jeder wünscht zu werden:
Nun, dann würden wir auf Erden
uns, in Sorgen, alle gleich.
Da niemand des andern Bürde
künftig auf sich laden würde,
müsste jeglicher allein
sein höchsteigner Diener sein;
selber seine Strümpfe stricken,
möcht’ er nicht gern barfuss gehn;
selber Rock und Hosen flicken
möcht’ er nicht wie Adam stehen;
müsste kochen, braten, backen,
liebte er gesunde Kost.
Wäre er kein Freund vom Frost,
müsst' er selber Holz sich hacken.
Ständen alle ohne Mängel
wir hienieden schon, als Engel,
o wie wär' es böse Zeit
für die liebe Geistlichkeit!
Wer denn könnte Pfarrer werden
in dem Himmel hier auf Erden,
wenn der Laie besser wäre
als die Predigt, die er hört?
Nur wo nötig ist die Lehre
– und sonst nirgends – hat sie Wert.
Advokaten gingen müssig;
Richter wären überflüssig;
und Dragoner und Husaren
wären überflüss'ge Waren.
Ach, in diesem Weltgetümmel
wüchse wieder neü Not,
denn es brächte unser Himmel
manchen braven Mann ums Brot.
Wären alle Mädchen schön,
und von aussen und von innen
und vom Wirbel bis zum Zehn
zauberische Huldgöttinnen:
zu alltäglich, zu gemein
würden schöne Mädchen sein;
niemand würde auf sie blicken. –
Wäre alles Diamant,
was jetzt Kiesel ist und Sand,
niemand möchte sich drum bücken.
Jeder wünscht zum neuen Jahr.
Aber würde alles wahr,
dann erst wär’ es um die Welt,
glaubt es, jämmerlich bestellt!
Wollet Ihr die Welt verbessern,
(blosse Wünsche tun es nie,
Spiele sind's der Phantasie!)
wollet ihr die Welt verbessern,
fange jeder an bei sich,
denn der Mittelpunkt der grössern
Welt ist jeglichem sein Ich.
Dieses Ich wirft seine Strahlen,
einer innern Sonne gleich,
durch des Lebens weites Reich.
Wie es selber ist, so malen
sich die Dinge klein und gross,
prächtig oder farbenlos!
Lasst uns froh das Jahr beschließen,
was es immer auch gebracht!
Mocht' uns manches auch verdrießen,
haben wir doch mehr gelacht
voller Freude, voller Lust,
laut hinaus aus voller Brust.
Lasst uns froh ins Neue schauen,
dass es stets nur Gutes bringt!
Lasst uns blind darauf vertrauen,
dass uns alles wohl gelingt,
was wir planen, was wir hoffen.
Hold steh uns die Zukunft offen.
Lasst uns froh die Gläser heben
auf ein gutes, neues Jahr!
Fördern soll es unser Streben,
bannen soll es Notgefahr.
Horchet, wie die Glocken klingen!
Frieden sollen sie uns bringen.
Mama schöpft aus dem Punschgefäße,
Der Vater lüftet das Gesäße
Und spricht: „Jetzt sind es vier Minuten
Nur mehr bis zwölfe, meine Guten.
Ich weiß, dass ihr mit mir empfindet,
Wie dieses alte Jahr entschwindet,
Und daß ihr Gott in seinen Werken
– Mama, den Punsch noch was verstärken!
–
Und dass ihr Gott von Herzen danket,
Auch in der Liebe nimmer wanket,
Weil alles, was uns widerfahren
– Mama, nicht mit dem Arrak sparen! –
Weil, was geschah, und was geschehen,
Ob wir es freilich nicht verstehen,
Doch weise war, durch seine Gnade
– Mama, er schmeckt noch immer fade! –
In diesem Sinne meine Guten,
Es sind jetzt bloß mehr zwei Minuten,
In diesem gläubig frommen Sinne
– Gieß noch mal Rum in die Terrine! –
Wir bitten Gott, dass er uns helfe
Auch ferner – Wie? Es schlägt schon zwölfe?
Dann prosit! Prost an allen Tischen!
– Ich will den Punsch mal selber mischen."
Silvester – Neujahr Bild von NoName_13 auf Pixabay
In meiner Stadt macht’s zwölfmal Bumm.
Die Glocken rufen zwölfmal Kumm!
Böller platzen auf Straßen und Gassen.
Raketen zaubern am Himmel Fratzen.
Die Welt, sie singt, die Welt, sie bleckt.
Hauptsache, dass der Champagner schmeckt.
Hände suchen Menschenhände.
Das alte Jahr? Schluss und Ende!
Das neue Jahr beginnt, blau und schmerzlich.
Die Welt lässt grüßen, durchaus recht herzlich!
Der Politiker beschwört sogar, …
dass ALLES BESSER WIRD, im neuen Jahr!
Was kommt? Was wird? Die Welt gebiert.
Silvester feiern wir, mein Bester!
Es wird ein Leben, das durch Kriege führt.
Tränen sind des Schicksals kleine Schwester.
Schau dennoch vorwärts, nie zurück!
Die Welt spielt stets das gleiche Stück.
Lebendig sei die Silvesternacht.
Das neue Jahr, es weint und lacht!
Was fange ich Silvester an?
Geh ich in Frack und meinen kessen
Blausanen Strümpfen zu dem Essen,
Das Herrn Generaldirektor gibt?
Wo man heut nur beim Tanzen schiebt?
Die Hausfrau dehnt sich wild im Sessel -
Der Hausherr tut das sonst bei Dressel -,
Das junge Volk verdrückt sich bald.
Der Sekt ist warm. Der Kaffee kalt -
Prost Neujahr! Ach, ich armer Mann!
Was fange ich Silvester an?
Wälz ich mich im Familienschoße?
Erst gibt es Hecht mit süßer Sauce,
Dann gibt's Gelee. Dann gibt es Krach.
Der greise Männe selbst wird schwach.
Aufsteigen üble Knatschgerüche.
Der Hans knutscht Minna in der Küche.
Um zwölf steht Rührung auf der Uhr.
Die Bowle -? („Leichter Mosel“ nur -
)
Prost Neujahr! Ach, ich armer Mann!
Was fange ich Silvester an?
Mach ich ins Amüsiervergnügen?
Drück ich mich in den Stadtbahnzügen?
Schrei ich in einer schwulen Bar:
„Huch, Schneeballblüte! Prost Neujahr
-!“
Geh ich zur Firma Sklarz Geschwister -
Bleigießen? Ists ein Fladen klein:
Dies wird wohl Deutschlands Zukunft sein …
Prost Neujahr! Helft mir armem Mann!
Was fang ich bloß Silvester an?
Mein Fenster öffnet sich um Mitternacht,
Die Glocken dröhnen von den Türmen nieder,
Die Berge leuchten rings in Flammenpracht,
Und aus den dunklen Gassen hallen Lieder.
Will mir der Lärm, will mir der blut’ge
Schein
Des nahen Völkerkriegs Erwachen deuten? –
Noch ist die Saat nicht reif. Die Glocken läuten
Dem neuen Jahr. – Wird es ein bessres sein?
Ein neues Jahr, in dem mit blassem Neid
Die Habsucht und die Niedertracht sich messen;
Ein neues Jahr, das nach Vernichtung schreit;
Ein neues Jahr, in dem die Welt vergessen,
Dass sie ein Altar dem lebend’gen Licht;
Ein neues Jahr, des dumpfe Truggewalten
Den Adlerflug des Geistes niederhalten;
Ein neues Jahr! – Ein bessres wird es nicht.
Von Goldgier triefend und von Gaunerei,
Die Weltgeschichte, einer feilen Dirne
Vergleichbar, kränzt mit Weinlaub sich die
Stirne,
Und aus der Brust wälzt sich ihr Marktgeschrei:
Herbei, ihr Kinder jeglicher Nation;
An Unterhaltung ist bei mir nicht Mangel.
Im Internationalen Tingeltangel,
Geschminkt und frech, tanz’ ich mir selbst zum
Hohn.
Den heil’gen Ernst der menschlichen
Geschicke
Wandl’ ich zur Posse, dass ihr gellend
lacht;
Den Freiheitsdurst’gen brech’ ich das
Genicke,
Damit mein Tempel nicht zusammenkracht.
Ich bin der Friede, meine holden Blicke
Besel’gen euch in ew’ger Liebesnacht;
Wärmt euch an mir und schlaft bei meinem Liede
Sanft und behaglich ein; ich bin der Friede!
Drum segne denn auch für das künft’ge
Jahr
Gott euren süßen Schlaf. Das Todesröcheln
Des Bruders auf der Freiheit Blutaltar
Verhallt, wenn meine fleisch’gen Lippen
lächeln.
Nur wenn der eigne Geldsack in Gefahr,
Dann tanz’ ich mit den schellenlauten
Knöcheln
Sofort Alarm, damit euch eure Schergen
Zu den geraubten neue Schätze bergen.
Warum schuf Gott den Erdball rund, warum
Schuf Krupp'sche Eisenwerke er in Essen,
Als dass den Heiden wir mit Christentum
Und Schnaps das Gold aus den Geweiden pressen.
Ein halb Jahrtausend ist das nun schon Mode,
Doch sehr verfeinert hat sich die Methode:
Kauf oder stirb! Wer seines Goldes bar,
Den plagt dann ferner auch kein Missionar.
Ich bin der Friede, meine Schellen läuten,
Sobald des Menschen Herz sich neu belebt,
Und meine Füße, die den Tod bedeuten,
Zerstampfen, was nach Licht und Freiheit strebt.
Ich bin der Friede, und so wahr ich tanze
Auf Gräbern in elektrisch grellem Glanze,
Es fällt zum Opfer mir das künft’ge Jahr,
Wie das geschiedne mir verfallen war!
So sang die Göttin. Aber Gott sei Dank,
Noch eh sie dirnenhaft von hinnen knixte,
Gewahrt’ ich, dass die üpp’ge Diva
krank
Und alt, so rot sie sich die Wangen wichste,
Dass schon der Tod ihr selbst die Brust gehöhlt;
Und tausend Bronchien rasselten im Chore:
Der rote Saft sprengt dieses Leichnams Tore,
Eh er noch einmal seine Jahre zählt.
Dann wurden unterird’sche Stimmen laut:
Der Mensch sei nicht zum Knecht vor goldnen
Stufen,
Es sei zum Herrscher nicht der Mensch berufen,
Der Mensch sei nur dem Menschen angetraut.
Ein dumpfes Zittern, wie aus Katakomben,
Erschütterte den Boden. Alsogleich
Ward jeden Gastes Antlitz kreidebleich:
Bewahr’ uns Gott vor Anarchie und Bomben!
Ich aber denke: Eh ein Jahr vergeht,
Vergeht die Kirchhofsruhe. Böse Zeichen
Verkünden einen Krieg, der seinesgleichen
Noch nicht gehabt, solang die Erde steht.
Noch ist die Saat nicht reif, doch wird sie
reifen,
Und Habgier gegen Habgier greift zum Schwert;
Es wird der Bruder, seines Bruders wert,
Dem Bruder mörd’risch nach der Kehle greifen.
Die Glocken sind verhallt, verglommen sind
Die Feuerbrände und verstummt die Lieder;
Die alte, ew’ge, blinde Nacht liegt wieder,
Wie sie nur je auf Erden lag, so blind;
Und doch hängt das Geschick an einem Haar
Und lässt sich doch vom Klügsten nicht ergründen.
Wie werden diese Welt wir wiederfinden,
Wenn wir sie wiederfinden, übers Jahr?
Der Mond hält Hof in dieser Nacht,
das Jahr es geht zu Ende.
Das Feuerwerk wird nun entfacht,
das neue Jahr – kaum aufgewacht
nimmt ’s Schicksal in die Hände.
Will das Glück nach seinem Sinn
dir was Gutes schenken,
sage Dank und nimm es hin
ohne viel Bedenken.
Jede Gabe sei begrüßt,
doch vor allen Dingen:
Das, worum du dich bemühst,
möge dir gelingen.
Ein bißchen mehr Friede und weniger Streit!
Ein bißchen mehr Güte und weniger Neid,
Ein bißchen mehr Liebe und weniger Haß,
Ein bißchen mehr Wahrheit, - das wäre was!
Statt so viel Unrast ein bißchen mehr Ruh',
Statt immer nur ich ein bißchen mehr du,
Statt Angst und Hemmungen ein bißchen mehr Mut,
Und Kraft zum Handeln, - das wäre gut!
Kein Trübsal und Dunkel, ein bißchen mehr Licht,
Kein quälend Verlangen, — ein froher Verzicht!
Und viel mehr Blumen, so lange es geht,
Nicht erst auf Gräbern, — da blühn sie zu spät!"
Zum neuen Jahr den gleichen Vater,
des starker Arm die Welten hält;
er hat sein Volk seit grauen Tagen
auf Adlersflügeln treu getragen,
ihm sei die Zukunft heimgestellt;
zum neuen Jahr den gleichen Vater,
des starker Arm die Welten hält!
Zum neuen Jahr die alten Sorgen,
noch sind wir nicht im Jubeljahr;
noch wallen wir auf Pilgerwegen
Berg auf und ab in Sonn' und Regen,
noch gibt's zu kämpfen immerdar;
zum neuen Jahr die alten Sorgen,
noch sind wir nicht im Jubeljahr!
Zum neuen Jahr ein neues Hoffen,
die Erde wird noch immer grün;
auch dieser März bringt Lerchenlieder,
auch dieser Mai bringt Rosen wieder,
auch dieses Jahr lässt Freuden blühn;
zum neuen Jahr ein neues Hoffen,
die Erde wird noch immer grün!
Zum neuen Jahr ein neues Herze,
ein frisches Blatt im Lebensbuch!
Die alte Schuld sei ausgestrichen,
der alte Zwist sei ausgeglichen,
und ausgetilgt der alte Fluch;
zum neuen Jahr ein neues Herze,
ein frisches Blatt im Lebensbuch!
Es war an der Zeit, das Neujahrsfest vorzubereiten.
Der König wies seine Leute an: „Ich möchte, daß
es ein wirklich königliches Fest wird. Die Gästeliste
soll überquellen von illustren Persönlichkeiten. Die
Tische sollen sich biegen unter Delikatessen, und der
Wein soll nur aus erlesenen Trauben und besten
Jahrgängen bestehen.“
Die Mitarbeiter schwärmten aus und brachten aus
allen Landesteilen nur das Köstlichste. Aber der König
war nicht zufriedenzustellen. „Im letzten Jahr
habe ich ein durch nichts zu überbietendes Fest
gegeben. Aber die ganze Stadt sprach nur von dem Fest
bei Ramun, dem Maler. Da wurde getrunken und gelacht
die ganze Nacht bis zum Nachmittag des nächsten Tages.
Im Jahr davor war es dasselbe. Ebenso im Jahr davor und
davor. Einmal muß es mir doch gelingen, diesen Wurm zu
übertrumpfen, denn ich, ich bin der König.“
Einer der Mitarbeiter, ein kluger Mann, verneigte
sich tief und fragte: „Mein König, habt Ihr je
mit dem Maler gesprochen? Es muß doch einen Grund
geben, warum die Leute sein Fest so lieben, obwohl sie
in schäbiger Hütte ihre mitgebrachten Happen essen und
den billigsten Wein trinken müssen.“
Der König nickte stumm und sagte: „Gut,
schafft mir diesen Ramun heran.“
Und so geschah es.
„Warum lieben die Menschen so dein
Neujahrsfest?“ fragte der König.
Worauf der Maler: „Wir sind Freunde und
brauchen einander – aber mehr brauchen wir nicht.
Deshalb sind wir reich.“
Eine Neujahrsgeschichte nach einem Text von Gernot Geyer aus dem Jahre 2000
Jedes Jahr vollziehen die Menschen den üblichen Jahreswechsel. Ein altes geht, ein neues kommt. Auch wenn sich nicht alle Wünsche und Pläne des alten erfüllt haben, es hat einem neuen Jahr Platz zu machen. In der Regel geschieht das auch völlig reibungslos. Die Menschen feiern und wünschen sich alles Gute. Dann kehren sie mit guten Vorsätzen in ihren Alltag zurück. Hin und wieder gibt es aber doch kleine Ungereimtheiten. Eine solche trug sich vor ein paar Jahren zu, es ist also noch nicht einmal so lange her.
Damals versammelten sich im Himmel zum Jahresende pünktlich alle am Jahreswechsel Beteiligten, jeder streng nach seiner Rangordnung platziert. In der ersten Reihe war dem eben eintreffenden Alten Jahr ein Ruheplatz bereitgestellt worden. Gleich daneben stand ein zweiter Sitz noch leer – jener für das zu begrüßende Neue Jahr.
Anfangs dachte sich keiner etwas dabei, waren doch alle überpünktlich erschienen. Einer nach dem andern wurde aber etwas unruhig. „Unüblich!“ raunte ein Engel, „Nun müssen wir bald anfangen mit der Übergabe, sonst werden wir bis Mitternacht nicht fertig werden. Und das abtretende Alte Jahr fügte hinzu: „Ich denke, wir müssen das Neue Jahr umgehend suchen, sonst stünde eventuell gar das Ende der Zeiten vor der Tür.“
So schwärmte Gross und Klein aus und hielt Ausschau, ob sich das Neue Jahr nicht etwa hinter einem Stern versteckt hätte. Nach Minuten verzweifelter Suche wurde es endlich aufgespürt. In einem kleinen Winkel gleich neben der Himmelspforte hatte es sich verkrochen.
„Was hast du dir dabei nur gedacht“, wollte der heilige Petrus leicht ungeduldig von ihm wissen, „Du bringst mit deinem Verhalten den ganzen Weltenlauf durcheinander!“ – „Ich hatte etwas Angst“, erwiderte das Neue Jahr leise: ?Seht, alleine soll ich während dreihundertfünfundsechzig Tagen die Verantwortung für die ganze Welt tragen. Wenn ich nun einen Fehler mache? Wenn ich etwas übersehe oder vergesse? Diese Verantwortung ist zu viel für mich allein.“
Der heilige Petrus nickte, dachte kurz nach und antwortete dann verständnisvoll: „Die ganze Verantwortung zu tragen ist gewiss eine große Aufgabe. Fehler können geschehen und bleiben nicht folgenlos, auch das ist richtig. Aber ich bin überzeugt, mein liebes Neues Jahr, dass gerade du am besten dazu geeignet bist. Du bist frisch an Kräften, gänzlich unverbraucht und noch voller Hoffnung. Es kommt nicht darauf an, die beste Lösung immer gleich zur Hand zu haben. Viel wichtiger ist es, das du all es aus Liebe zu den Menschen tust und mit der guten Absicht, nicht leichtfertig mit deiner Zeit umzugehen.
Ich glaube, gutes Neues Jahr, ein besseres Jahr als dich hätte zurzeit niemand finden können. Und eines soll dir Mut machen: Auch wenn Du nicht fertig wirst mit deiner Arbeit, es kommt nach dir wieder ein Neues Jahr. Manche Dinge brauchen Zeit und machen viel Mühe, aber einmal müssen sie begonnen werden. Das ist nun deine Aufgabe.“
Das Neue Jahr blickte in die Runde, wo sich in jedem Blick Erwartung und Ermutigung spiegelte. Es nickte dem heiligen Petrus zu, der nahm das Neue Jahr an der Hand und führte es entschlossen zur Himmelspforte. Die Zeit war knapp geworden. Schnell wurde für die Arbeit des alten Jahres gedankt, und die Himmlischen gaben dem Neuen letzte gute Ratschläge mit auf den Weg. Damit begann es dann endgültig, dieses neue Jahr …
Ihr glaubt die Geschichte nicht? Ehrlich, genau so hat sie sich zugetragen! Ich werde es euch beweisen. Vor ein paar Jahren begann der erste Tag eines Neuen Jahres mit genau einer Sekunde Verspätung. Als die Wissenschaftler den Fehler bemerkten, mussten die Menschen auf der Erde die Uhren für eine Sekunde anhalten, damit sie wieder richtig gingen. Die meisten Menschen führten dies auf einen Messfehler zurück, auf eine kleine Unregelmäßigkeit im Sonnenlauf oder die Tücken des Kalenders selbst, aber in Wirklichkeit? – Na ja, denkt was ihr wollt, jetzt kennt ihr die Geschichte.
Es war eine schneidende Kälte, sternenheller Himmel,
kein Lüftchen regte sich.
’Bums!’ Da wurde ein alter Topf an die
Haustüre des Nachbars geworfen. ’Puff,
paff!’ Dort knallte die Büchse; man begrüßte das
neue Jahr. Es war Neujahrsnacht! Jetzt schlug die
Turmuhr zwölf!
’Trateratra!’ Die Post kam angefahren.
Der große Postwagen hielt vor dem Stadttore an. Er
brachte zwölf Personen mit, alle Plätze waren
besetzt.
„Hurra! Hurra! Hoch!“ sangen die Leute
in den Häusern der Stadt, wo die Neujahrsnacht gefeiert
wurde und man sich beim zwölften Schlage mit dem
gefüllten Glase erhob, um das neue Jahr leben zu
lassen.
„Prost Neujahr!“ hieß es, „ein
schönes Weib! Viel Geld! Keinen Ärger und
Verdruß!“
Das wünschte man sich gegenseitig, und darauf stieß
man mit den Gläsern an, daß es klang und sang - und vor
dem Stadttore hielt der Postwagen mit den fremden
Gästen, den zwölf Reisenden.
Und wer waren diese Fremden? Jeder von ihnen führte
seinen Reisepaß und sein Gepäck bei sich; ja, sie
brachten sogar Geschenke für mich und dich und alle
Menschen des Städtchens mit. Wer waren sie, was wollten
sie, und was brachten sie?
„Guten Morgen!“ riefen sie der
Schildwache am Eingange des Stadttores zu.
„Guten Morgen!“ antwortete diese, denn
die Uhr hatte ja zwölf geschlagen.
„Ihr Name? Ihr Stand?“ fragte die
Schildwache den von ihnen, der zuerst aus dem Wagen
stieg.
„Sehen Sie selbst im Passe nach“,
antwortete der Mann. „Ich bin ich!“ Und es
war auch ein ganzer Kerl, angetan mit Bärenpelz und
Pelzstiefeln. „Ich bin der Mann, in den sehr
viele Leute ihre Hoffnung setzen. Komm morgen zu mir;
ich gebe dir ein Neujahrsgeschenk! Ich werfe Groschen
und Taler unter die Leute, ja ich gebe auch Bälle,
volle einunddreißig Bälle, mehr Nächte kann ich aber
nicht daraufgehen lassen. Meine Schiffe sind
eingefroren, aber in meinem Arbeitsraum ist es warm und
gemütlich. Ich bin Kaufmann, heiße Januar und führe nur
Rechnungen bei mir.“
Nun stieg der zweite aus, der war ein Bruder Lustig;
er war Schauspieldirektor, Direktor der Maskenbälle und
aller Vergnügungen, die man sich nur denken kann. Sein
Gepäck bestand aus einer großen Tonne.
„Aus der Tonne“, sagte er, „wollen
wir zur Fastnachtszeit die Katze herausjagen. Ich werde
euch schon Vergnügen bereiten und mir auch; alle Tage
lustig! Ich habe nicht gerade lange zu leben; von der
ganzen Familie die kürzeste Zeit; ich werde nämlich nur
achtundzwanzig Tage alt. Bisweilen schalten sie mir
zwar auch noch einen Tag ein – aber das kümmert
mich wenig, hurra!“
„Sie dürfen nicht so schreien!“ sagte
die Schildwache.
„Ei was, freilich darf ich schreien“,
rief der Mann, „ich bin Prinz Karneval und reise
unter dem Namen Februarius.“
Jetzt stieg der dritte aus; er sah wie das
leibhaftige Fasten aus, aber er trug die Nase hoch,
denn er war verwandt mit den ’vierzig
Rittern’ und war Wetterprophet. Allein das ist
kein fettes Amt, und deshalb pries er auch das Fasten.
In einem Knopfloche trug er auch ein Sträußchen
Veilchen, auch diese waren sehr klein.
„März! März!“ rief der vierte ihm nach
und schlug ihn auf die Schulter; „riechst du
nichts? Geschwind in die Wachstube hinein, dort trinken
sie Punsch, deinen Leib- und Labetrunk; ich rieche es
schon hier außen. Marsch, Herr Martius!“ Aber es
war nicht wahr, der wollte ihn nur den Einfluß seines
Namens fühlen lassen, ihn in den April schicken; denn
damit begann der vierte seinen Lebenslauf in der Stadt.
Er sah überhaupt sehr flott aus; arbeiten tat er nur
sehr wenig; desto mehr aber machte er Feiertage.
„Wenn es nur etwas beständiger in der Welt
wäre“, sagte er; „aber bald ist man gut,
bald schlecht gelaunt, je nach Verhältnissen; bald
Regen, bald Sonnenschein; ein- und ausziehen! Ich bin
auch so eine Art Wohnungsvermietunternehmer, ich kann
lachen und weinen, je nach Umständen! Im Koffer hier
habe ich Sommergarderobe, aber es würde sehr töricht
sein, sie anzuziehen. Hier bin ich nun! Sonntags
geh’ ich in Schuhen und weißseidenen Strümpfen
und mit Muff spazieren.“
Nach ihm stieg eine Dame aus dem Wagen. Fräulein Mai
nannte sie sich. Sie trug einen Sommermantel und
Überschuhe, ein lindenblattartiges Kleid, Anemonen im
Haare, und dazu duftete sie dermaßen nach Waldmeister,
daß die Schildwache niesen mußte. „Zur Gesundheit
und Gottes Segen!“ sagte sie, das war ihr Gruß.
Wie sie niedlich war! Und Sängerin war sie, nicht
Theatersängerin, auch nicht Bänkelsängerin, nein,
Sängerin des Waldes; den frischen, grünen Wald
durchstreifte sie und sang dort zu ihrem eigenen
Vergnügen.
„Jetzt kommt die junge Frau!“ riefen die
drinnen im Wagen, und aus stieg die junge Frau, fein,
stolz und niedlich. Man sah es ihr an, daß sie, Frau
Juni, von faulen Siebenschläfern bedient zu werden
gewohnt war. Am längsten Tage des Jahres gab sie große
Gesellschaft, damit die Gäste Zeit haben möchten, die
vielen Gerichte der Tafel zu verzehren. Sie hatte zwar
ihren eigenen Wagen; allein sie reiste dennoch mit der
Post wie die andern, weil sie zeigen wollte, dass sie
nicht hochmütig sei. Aber ohne Begleitung war sie
nicht; ihr jüngerer Bruder Julius war bei ihr.
Er war ein wohlgenährter Bursche, sommerlich
angekleidet und mit Panamahut. Er führte nur wenig
Gepäck bei sich, weil dies bei großer Hitze zu
beschwerlich sei; deshalb hatte er sich nur mit einer
Schwimmhose versehen, und dies ist nicht viel.
Darauf kam die Mutter selbst, Madame August,
Obsthändlerin en gros, Besitzerin einer Menge
Fischteiche, sie war dick und heiß, faßte selbst
überall an, trug eigenhändig den Arbeitern Bier auf das
Feld hinaus. „Im Schweiße deines Angesichtes
sollst du dein Brot essen!“ sagte sie, „das
steht in der Bibel. Hinterdrein kommen die
Spazierfahrten, Tanz und Spiel und die
Erntefeste!“ Sie war eine tüchtige Hausfrau.
Nach ihr stieg wieder ein Mann aus der Kutsche, ein
Maler, Herr Koloriermeister September; der mußte den
Wald bekommen; die Blätter mußten Farbe wechseln, aber
wie schön; wenn er es wollte, schillerte der Wald bald
in Rot, Gelb oder Braun. Der Meister pfiff wie der
schwarze Star, war ein flinker Arbeiter und wand die
blaugrüne Hopfenranke um seinen Bierkrug. Das putzte
den Krug, und für Ausputz hatte er gerade Sinn. Da
stand er nun mit seinem Farbentopfe, der war sein
ganzes Gepäck!
Ihm folgte der Gutsbesitzer, der an den Saatmonat,
an das Pflügen und Beackern des Bodens, auch an die
Jagdvergnügungen dachte; Herr Oktober führte Hund und
Büchse mit sich, hatte Nüsse in seiner Jagdtasche
– ’knick, knack!’ Er hatte viel
Reisegut bei sich, sogar einen englischen Pflug; er
sprach von der Landwirtschaft; aber vor lauter Husten
und Stöhnen seines Nachbars vernahm man nicht viel
davon. -
Der November war es, der so hustete, während er
ausstieg. Er war sehr mit Schnupfen behaftet; er putzte
sich fortwährend die Nase, und doch, sagte er, müsse er
die Dienstmädchen begleiten und sie in ihre neuen
Winterdienste einführen; die Erkältung, meinte er,
verliere sich schon wieder, wenn er ans Holzmachen
ginge, und Holz müsse er sägen und spalten; denn er sei
Sägemeister der Holzmacherinnung.
Endlich kam der letzte Reisende zum Vorschein, das
alte Mütterchen Dezember mit der Feuerkiepe; die Alte
fror, aber ihre Augen strahlten wie zwei helle Sterne.
Sie trug einen Blumentopf auf dem Arme, in dem ein
kleiner Tannenbaum eingepflanzt war. „Den Baum
will ich hegen und pflegen, damit er gedeihe und groß
werde bis zum Weihnachtsabend, vom Fußboden bis an die
Decke reiche und emporschieße mit flammenden Lichtern,
goldenen Äpfeln und ausgeschnittenen Figürchen. Die
Feuerkiepe wärmt wie ein Ofen; ich hole das Märchenbuch
aus der Tasche und lese laut aus ihm vor, daß alle
Kinder im Zimmer still, die Figürchen an dem Baume aber
lebendig werden und der kleine Engel von Wachs auf der
äußersten Spitze die Flittergoldflügel ausbreitet,
herabfliegt vom grünen Sitze und klein und groß im
Zimmer küßt, ja, auch die armen Kinder küßt, die
draußen auf dem Flure und auf der Straße stehen und das
Weihnachtslied von dem Bethlehemsgestirne
singen.“
„So! Jetzt kann die Kutsche abfahren“,
sagte die Schildwache, „wir haben sie alle zwölf.
Der Beiwagen mag vorfahren!“
„Laß doch erst die zwölf zu mir
herein!“" sprach der Wachhabende, „einen
nach dem andern! Die Pässe behalte ich hier; sie gelten
jeder einen Monat; wenn der verstrichen ist, werde ich
das Verhalten auf dem Passe bescheinigen. Herr Januar,
belieben Sie näher zu treten.“
Und Herr Januar trat näher.
Wenn ein Jahr verstrichen ist, werde ich dir sagen,
was die zwölf uns allen gebracht haben. Jetzt weiß ich
es noch nicht, und sie wissen es wohl selbst nicht -
denn es ist eine seltsam unruhige Zeit, in der wir
leben.
Das alte Jahr vergangen ist,
Das neue Jahr beginnt.
Wir danken Gott zu dieser Frist,
Wohl uns, dass wir noch sind!
Wir sehn auf's alte Jahr zurück,
Und haben neuen Mut:
Ein neues Jahr, ein neues Glück!
Die Zeit ist immer gut.
Ja, keine Zeit war jemals schlecht:
In jeder lebet fort
Gefühl für Wahrheit, Ehr' und Recht
Und für ein freies Wort.
Hinweg mit allem Weh und Ach!
Hinweg mit allem Leid!
Wir selbst sind Glück und Ungemach,
Wir selber sind die Zeit.
Und machen wir uns froh und gut,
Ist froh und gut die Zeit,
Und gibt uns Kraft und frohen Mut
Bei jedem neuen Leid.
Und was einmal die Zeit gebracht,
Das nimmt sie wieder hin -
Drum haben wir bei Tag und Nacht
Auch immer frohen Sinn.
Und weil die Zeit nur vorwärts will,
So schreiten vorwärts wir;
Die Zeit gebeut, nie stehn wir still,
Wir schreiten fort mit ihr.
Ein neues Jahr, ein neues Glück!
Wir ziehen froh hinein,
Denn vorwärts! vorwärts! nie zurück!
Soll unsre Losung sein.