Dezemberlied
Autor: Franz Grillparzer
Harter Winter, streng und rauch,
Winter, sei willkommen!
Nimmst du viel, so gibst du auch,
Das heißt nichts genommen!
Zwar am Äußern übst du Raub,
Zier scheint dir geringe,
Eis dein Schmuck und fallend Laub
Deine Schmetterlinge,
Rabe deine Nachtigall,
Schnee dein Blütenstäuben,
Deine Blumen, traurig all’
Auf gefror’nen Scheiben.
Doch der Raub der Formenwelt
Kleidet das Gemüte,
Wenn die äußere zerfällt,
Treibt das Inn’re Blüte.
Die Gedanken, die der Mai
Locket in die Weite,
Flattern heimwärts kältescheu
Zu der Feuerseite.
Sammlung, jene Götterbraut,
Mutter alles Großen,
Steigt herab auf deinen Laut,
Segenübergossen.
Und der Busen fühlt ihr Weh’n,
Hebt sich ihr entgegen,
Lässt in Keim und Knospen seh’n,
Was sonst wüst gelegen.
Wer denn heißt dich Würger nur?
Du flichst Lebenskränze,
Und die Winter der Natur
Sind der Geister Lenze!
Bild von Jörg Vieli auf Pixabay

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