Weihnachtsengel

Gedichte und Geschichten über Engel in der Weihnachtszeit.

Übersicht

Gedichte über Engel zu Weihnachten

Geschichten über Engel zu Weihnachten

Gedichte

Der kleine Melchior

Autorin: Anita Menger

Ein Engel im Himmel
Ein Engel im Himmel
Bild von Jo Justino auf Pixabay

Im Himmel herrscht ein lustiges Gedränge
Der kleine Melchior flitzt durch die Gänge.
Wie jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit
Gibt es für die Engel viel Arbeit.
Für Melchior fängt heute die Probezeit an
Doch er hat verschlafen und ist spät dran.

Gerade noch pünktlich erreicht er die Verpackungsfabrik
Doch leider fehlt ihm das Geschick
Schöne, große Schleifen zu binden
Auch versucht er herauszufinden
Was in den Päckchen wohl so drinnen ist
So schickt man ihn fort nach kurzer Frist.

Als nächstes soll er ein paar Sterne kontrollieren
Sie putzen und gründlich polieren
Doch übermütig turnt er herum und macht Quatsch
So kommt es, dass der kleine Tollpatsch
Einem Stern die Zacke abbricht
Und der leitende Engel ein Machtwort spricht.

Nach dem Mittagessen hilft er beim Tisch abräumen
Er beeilt sich um nichts zu versäumen
Da rutscht ihm, weil er noch so klein
Über die Ohren der Heiligenschein
Er stolpert und mit großen Geklirr
Zerbricht das schöne Geschirr.

Schließlich versucht er in der Backstube sein Glück
Doch auch hier schickt man ihn schnell zurück
Schafft er es doch beim Plätzchen verzieren
Sich und andere Engel zu beschmieren
Auch ist man dort sehr überrascht
Wie viel so ein kleiner „Bengel“ nascht.

Müde, erschöpft und etwas verloren
Den Heiligenschein schief über den Ohren
Trifft der kleine Melchior
Auf Petrus und den Engelschor
Eifrig bettelt er: „Bitte Petrus lass mich hier
Im Engelschor singen mit dir!“

Petrus bringt es unter den bittenden Blicken
Nicht fertig ihn wegzuschicken
Eilig richtet Melchior seinen Heiligenschein
Und reiht sich glücklich ein
Schmunzelnd gibt Petrus die ersten Töne vor
Jubelnd stimmt ein der Engelschor.

Unter dem zu großen Heiligenschein
Erklingt eine Stimme, so zart und rein
Dass die Engel ergriffen lauschen
Und verwunderte Blicke tauschen
Alle denken: „Mein Gott dieser Bengel
Singt tatsächlich wie ein Engel!“

© Anita Menger


Der Weihnachtsengel

Autorin: Stine Andresen

Schutzengel mit Kind
Schutzengel mit Kind
Bild von Nathan Smith auf Pixabay

Ein Weihnachtsengel zieht durchs Land
Zu forschen, welche Gaben
Die Kleinen aus des Christkinds Hand
Am liebsten möchten haben.
An jede Türe klopft er an
Und freundlich wird ihm aufgetan.

Und überall der Wünsche viel
Ihm werden vorgetragen:
Hier Bilderbuch und Kegelspiel,
Da Puppen, Pferd und Wagen;
Und was ein Kinderherz begehrt;
Der Engel spricht: euch sei’s gewährt.

Nun tritt er in ein stilles Haus;
Da herrschet dumpfes Schweigen.
Kein helles Lachen klingt heraus,
Kein froher Kinderreigen.
Im Bettchen sitzt ein einsam Kind,
Dem von der Wang’ die Träne rinnt.

Der Engel sieht’s und tritt heran
Und küsst die bleichen Wangen;
„Was weinest du?" so spricht er dann,
„Sag’, was ist dein Verlangen?
Mich schickt das liebe Christkind heut
Zu fragen: was dein Herz erfreut.“

Das Kindlein spricht: „Ich hab’ genug
Von all den schönen Sachen.
Kein Lichterbaum, kein Bilderbuch
Kann mir noch Freude machen,
Ich wünsche mir ein Mütterlein,
Das immer könnte bei mir sein.

Die Mutter mein ging in den Tod
Und wird nicht wieder kommen.
Es heißt: sie hat der liebe Gott
In den Himmel aufgenommen;
Da spielt sie mit den Engelein,
Nun möcht’ ich auch im Himmel sein.“

Und tröstend klingt es: „Liebes Kind,
dir kann geholfen werden;
Doch was du wünschest, nimmer find’
Ich es für dich auf Erden.
Du sollst mit mir zum Himmel gehn
Und deine Mutter wiedersehn.“

Der Engel nimmt das Kindlein sacht
Dann unter seine Flügel;
Hin schweben durch die Sternennacht
Sie über Berg und Hügel.
Das Kindlein schließt die Augen zu
Und schlummert ein in sel’ger Ruh.


Der Weihnachtsengel

Autorin: Margarethe Pilgram-Diehl

Weihnachtsengel
Weihnachtsengel
Bild von Jason Goh auf Pixabay

Die Sterne blitzen und funkeln
Wie Äuglein hell und klar;
Ein Engel schwebt zur Erde,
Bringt holde Gaben dar.

Es ist ein gütiger Engel,
Er eilt von Haus zu Haus
Und teilt mit vollen Händen
Die reichen Gaben aus.

Die Kerzen brennen und flammen
Am schlanken Tannenbaum,
Und Äpflein, rot wie Wangen,
Und Nüsse in goldnem Schaum.

Die Kinder jubeln und beten
Und wollen vor Lust vergehn;
Da hört man ein Glöcklein klingen
Und Engelsflügel wehn.

Hinauf zu den goldnen Sternen
Zum heil’gen Himmelsraum
Sieht man das Kindlein schweben,
Gleich einem schönen Traum.


In der Nacht vorm Christ

Autor: Gustav Falke

Festlich dekorierter Weihnachtsbaum
Festlich dekorierter Weihnachtsbaum
Bild von Manuela Federspiel auf Pixabay

In der Nacht vorm Christ fängt’s an zu schnei’n,
die Welt liegt still, als schliefe sie ein.
Der Engel tritt an den Waldessaum
und trägt einen brennenden Weihnachtsbaum.

Äpfel und Nüsse sind daran
und auch ein Herz aus Marzipan.
Und der Lichtlein leuchten wohl hundert und mehr
und streuen ihren Schimmer weit umher.

Der Engel lugt ins schlafende Land
und steigt hinab, den Baum in der Hand,
und unten geht er von Haus zu Haus,
weht keins der himmlischen Lichter aus.

In alle Fenster sieht er hinein,
ob da auch schlafende Kinder sein,
da geht ein Lächeln durch ihren Traum,
und sie träumen alle vom Weihnachtsbaum.

Große Kinder und alte Leut
sagen dann wohl stillerfreut:
„Morgen Abend um diese Zeit“,
Und sehn zum Fenster hinaus, wie’s schneit.

Ganz leise fallen die Flocken und dicht,
ist alles so still und weiß und licht,
nur ganz Kluge, Helläugige seh’n
vom Engel noch leichte Spuren geh’n.

Als ob ein zierliches Rehlein lief,
ganz obenhin, sank gar nicht tief.
Blieb aber, riech nur, in der Luft
so ein seltsamer süßer Duft.

Und liegt überm Land und weit hinein
so ein stiller, himmlischer Schein
wie auf der schlafenden Kinder Gesicht
der Widerschein vom Weihnachtslicht.


Weihnachtslegende

Autorin: Alice Freiin von Gaudy

Engel im Stall an der Krippe
Engel im Stall an der Krippe
Bild von Albrecht Fietz auf Pixabay

In heiliger Nacht flogen Hand in Hand
drei Englein hinab in das jüdische Land.

Sie wollten die seligste aller Frau’n
und das göttliche Kind in der Krippe schaun.

Der Stern von Bethlehem war noch wach
und strahlte mild auf das flache Dach.

Sie suchten die Pforte und fanden sie bald
uns lugten wechselnd durch heimlichen Spalt.

Sie riefen und baten und klopften ganz sacht,
bis Joseph behutsam aufgemacht.

Im Stall war es dämmrig. Sie schwebten heran
und schauten den schlummernden Heiland an.

Der eine hob hoch die Ampel empor
und breitete schattend sein Flüglein davor.

Der zweite schob sanft in des Kindleins Hand
ein Sternlein, gefunden am Himmelsrand.

Der dritte hat fromm vor der Krippe gekniet
und sang mit süßer Stimme ein Lied.

Da zog ein Lächeln, göttlich und licht,
über des himmlischen Kindes Gesicht.

Für alle Zukunft hat es geweiht
die Feier der heiligen Weihnachtszeit.

Die strahlende Leuchte, den Weihnachtsstern
und das fromme Lied zum Preise des Herrn.


Geschichten

Das Engelskind Anna

Autorin: Janah Kramer

Weihnachtsmann mit Schlitten und Rentieren
Weihnachtsmann mit Schlitten und Rentieren
Bild von Gordon Johnson auf Pixabay

Es war wieder einmal Weihnachten auf der Erde. Der Weihnachtsmann lud alle Geschenke für die Menschenkinder auf seinen großen Schlitten. Der Schlitten sah sehr prächtig aus und er wurde von 7 Rentieren gezogen. Neben den Geschenkpaketen saßen 7 Engel, die dem Weihnachtsmann helfen sollten, die Geschenke zu verteilen. Im Himmel gab es ja ganze Scharen von Engeln, aber nur 7 Engel wurden für diese Heilige Nacht ausgewählt.

In diesem Jahr war nun also die Wahl auch auf das Engelskind Anna gefallen. Schon tagelang vorher war sie aufgeregt und sie träumte jede Nacht von der Fahrt mit dem herrlichen Rentierschlitten. Dann am Heiligen Abend war es endlich soweit. Die Rentiere hatten vor lauter Aufregung rote Nasen, und die Engel hatten ihre goldenen Flügel solange geputzt, dass sie jetzt im Sternenlicht wunderbar funkelten und blinkten. Hey, was machte das für einen großen Spaß mit dem Geschenkeschlitten durch den Himmel zu fliegen!

Der Weihnachtsmann drehte sich zu seinen Engeln um, lächelte Anna freundlich an und blinzelte dabei mit den Augen, als ob er ihr etwas sagen wollte. Im nächsten Moment ging ein Ruck durch den Schlitten: eines der Rentiere hatte einen Schluckauf bekommen. Ein Rentier mit Schluckauf? Der Weihnachtsmann fing laut zu lachen an, und auch die Engel stimmten in das Lachen ein; das klang dann so, als würden Glocken klingen. Da aber passierte es: eines der Pakete geriet in's Rutschen und als Anna danach greifen wollte, fiel auch sie vom Schlitten herunter. Schnell bewegte sie ihre Flügel, und sie schaffte es auch noch, das Paket aufzufangen. Als sie sich dann umschaute, war der Schlitten schon weit davongefahren.

Unter sich sah Anna aber schon die Häuser der Menschen.Und so landete sie erst einmal ganz sanft und leise auf der Erde. Sie stand ganz verloren zwischen den Menschen. Das Paket in ihren Händen drückte es fest an sich, so als könnte sie sich daran festhalten. Aber warum blieben die Menschen stehen? Manche schauten sie verwundert an, als könnten sie nicht glauben, was sie dort sahen. Wieder andere lachten Anna einfach nur aus! Warum nur? Anna sah doch genauso aus wie ein Menschenkind. Bis auf die goldenen Flügel; so etwas hatten die Menschen noch nie gesehen!

Anna schaute verlegen auf den Boden und wünschte sich ganz fest, dass ihre Flügel unsichtbar wären. Und mit einem mal gingen die Menschen achtlos an ihr vorbei, denn ihr Wunsch war in Erfüllung gegangen.

Der Schlitten mit dem Weihnachtsmann würde erst in einem Jahr wieder zur Erde kommen. Solange musste Anna erst einmal bei den Menschen leben. Es fiel ihr nicht leicht, aber es gab sehr nette Menschen, die ihr halfen. Sie lernte aber auch, dass es Kriege zwischen den Menschen gab; und auch Hass, Neid, Hunger und Kälte. Ganz schlimm war es, wenn Anna traurige Menschen sah. Dann wurde auch sie traurig. Zuhause bei den anderen Engeln gab es so etwas nicht. Alle Engel waren immer freundlich und nett und es gab niemals Streit. Engel kennen deshalb auch keine Tränen. Aber weil Anna bei den Menschen lebte und sie manchmal sehr traurig war, geschah es eines Tages: Anna weinte!

Ein junger Mann sah ihre Tränen und er nahm Anna in seine Arme. Er gab ihr soviel Wärme und Geborgenheit, dass die Tränen bald trockneten. Und nach einer kleinen Weile schenkte Anna ihm ein himmlisches Lächeln als Dank. Da wurde auch der junge Mann glücklich und froh. Sie wurden Mann und Frau und lebten glücklich miteinander.

Es war aber fast ein Jahr vergangen und die Weihnachtszeit kam wieder heran. Der Weihnachtsmann würde mit seinem Schlitten zur Erde kommen und Anna würde wieder zu den anderen Engeln in den Himmel zurückkehren. Sie hatte aber ihren Mann sehr lieb gewonnen und wollte ihn nicht verlassen. So schrieb sie eines Tages, wie die anderen Menschenkinder, einen Brief an den Weihnachtsmann.

„Lieber Weihnachtsmann!

Das Leben hier auf der Erde ist nicht immer so schön wie bei deinen Engeln im Himmel. Aber ich habe einen lieben Mann und Freunde, die alle traurig wären, wenn ich von hier fort müsste. Es gibt auch noch so viele traurige Augen, in die ich ein Lächeln zaubern möchte, so viele traurige Herzen, die ich fröhlich machen möchte … Ich kann hier einfach nicht weggehen, kannst Du das verstehen?

Dein Engelskind Anna“

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten:

„Mein lieber Engel Anna!

Seit langer, langer Zeit schon komme ich mit meinem Schlitten zur Weihnachtszeit zu den Menschen auf die Erde. Und jedes mal ist ein kleiner Engel vom Schlitten gefallen … Die Menschen brauchen diese Engel. Ohne sie wäre das Leben auf der Welt noch ein bisschen kälter, noch ein bisschen trauriger. Bleib’ bei den Menschen, Anna, sie brauchen dich! Wie lange du noch bleiben kannst, kann auch ich dir nicht sagen. Irgendwann wirst auch du gehen müssen, wie alle anderen Menschen auch. Aber ich verspreche dir, dass ich dann einen anderen Engel zur Erde schicken werde, damit dein Mann und deine Freunde nicht allzu traurig sind. Und denke immer daran: vielleicht ist ein Mensch, der dir begegnet, auch ein Engel. Ein Engel mit unsichtbaren Flügeln.

Dein Weihnachtsmann“

© Janah Kramer, Lüneburg, Dezember 1995


Frohe Weihnachten, Anna!

Fortsetzung von „Das Engelskind Anna“

Autorin: Janah Kramer

Anna lebte nun schon viele Jahre auf der Erde bei den Menschen, ihren lieben Mann Adrian immer an ihrer Seite. Sie war glücklich und zufrieden, und dennoch hatte auch sie oft kleine Kümmernisse und manchmal große Sorgen. Darüber hatte sie schon beinahe vergessen, dass sie doch ein Engel war, der gerne andere Menschen zum Lächeln brachte.

Dann kam der schreckliche Tag, an dem sie erfuhr, dass Adrian schwer krank war. Und alle ärztlichen Bemühungen waren vergebens. Anna setzte all’ ihre Engelskraft ein, und konnte doch nicht erreichen, dass Adrian wieder gesund wurde. An einem grauen Tag im November schlief er friedlich ein. Er ging fort aus ihrem gemeinsamen Leben, fort aus ihrem Herzen. Ihr Herz war leer, kalt und traurig.

In all’ ihrer Trauer bemerkte sie auch nicht die vielen Versuche ihrer Freunde und Nachbarn, sie aus der Trauer herauszuholen. Nein, sie wollte nicht spazieren gehen, nein, sie wollte nicht angerufen oder eingeladen werden. Sie wollte nur allein sein, allein mit ihrer großen Traurigkeit.

Und allmählich zogen sich die Freunde zurück, ließen sie allein. Anna weinte sich sehr oft in den Schlaf; so auch in der Nacht zum 1. Dezember. Sie träumte von dem großen Paket, das sie in den Händen gehalten hatte, als sie damals auf der Erde landete. Am nächsten Morgen beschloss sie, auf dem Speicher nach dem Paket zu schauen. Sie hatte es aufbewahrt, aber nie geöffnet. Schnell hatte sie das Paket gefunden. Aber was war das: Es war an sie selbst adressiert. „Für meinen Engel Anna, von deinem dich liebenden Mann Adrian“

Anna wurde es ganz warm in ihrem Herzen. Adrian musste es in seinen letzten Wochen heimlich vorbereitet haben. Behutsam nahm sie das Paket und öffnete es vorsichtig. Es waren große weiße Briefumschläge drin, 24 Stück wie sie schnell feststellte. Jeder war mit einem Datum versehen : 1. Dezember, 2. Dezember usw.

Pfefferkuchenhaus (Lebkuchenhaus)
Pfefferkuchenhaus
Bild von Adriana Macias auf Pixabay
Pfefferkuchen ist ein anderes Wort für Lebkuchen. Im Pfefferkuchengewürz stecken typisch winterlicher Düfte und Geschmacksnoten (fruchtige Orangenschalen, intensiver Zimt und herb-würzige Noten von Anis, Koriander, Piment, Sternanis, Muskatnuss und Nelken).

Heute war ja der 1. Dezember und so öffnete sie den 1. Umschlag. Es war eine Karte darin: „Hallo, mein Schatz. Du bist jetzt schon eine ganze Weile allein. Und ich sehe, dass du immer noch sehr traurig bist. Das tut mir weh. Bitte lass mich dir helfen! Dein Adrian“. Auf der Rückseite war eine Frage an sie gerichtet: „Hast du schon ein Pfefferkuchenhaus gebastelt?“

Nein, das hatte sie nicht gemacht. Sie hatte aber auch keine Lust dazu. Aber der Tag war lang und da sie auch keine anderen Pläne hatte, baute sie doch ein Pfefferkuchenhaus. Es machte ihr sogar ein wenig Spaß und das Ergebnis war eine prachtvolle Leckerei. Schon nach kurzem Überlegen traf sie eine Entscheidung : sie würde das süße Haus dem nahegelegenen Kinderheim spenden! Sofort machte sie sich auf den Weg und wurde dort sehr herzlich aufgenommen. So viele strahlende Kinderaugen hatte sie lange nicht gesehen …

Jeden Tag öffnete sie nun einen Umschlag aus dem Paket. Am 10. Dezember lautete die Frage: „Hast du schon Plätzchen gebacken?“ Sofort machte sie sich an die Arbeit. Es wurden so viele Plätzchen, das sie davon noch eine große Dose verschenken konnte. In dem Altenheim, das sich ganz in der Nähe befand, freuten sich alle Bewohnerinnen und Bewohner über die Plätzchen, und das jemand an sie gedacht hatte!

Am Abend, kurz vor dem Schlafengehen, dachte Anna noch einmal über den zu Ende gehenden Tag nach. Und wie schon nach ihrem Besuch im Kinderheim hatte sie auch an diesem Abend das Gefühl, anderen Menschen eine Freude gemacht zu haben. Und auch sie empfand ein wenig Freude. Und das zu spüren war für Anna sehr schön.

Am 19. Dezember fand sie auf ihrer Karte die Frage: „Wie geht es deiner besten Freundin Margitta?“ Anna konnte die Frage nicht gleich beantworten, denn sie hatte seit dem Tod von Adrian den Kontakt zu Margitta abreißen lassen.

Und wenn ich sie jetzt einfach mal anrufe? Sie griff zum Telefon. Wie würde Margitta reagieren? Sie freute sich sehr über den Anruf und hatte viel Verständnis, weil Anna sich damals so zurückgezogen hatte. Sie sprachen lange miteinander und verabredeten sich für den nächsten Tag zu einem langen Spaziergang. Das hatten sie früher immer sehr gern gemacht.

Dann kam der 24. Dezember. Und auf der letzten Karte las sie: „Frohe Weihnachten, Anna! Dein Adrian“ Aber es war keine Aufgabe dabei, was sollte sie nun am Heiligen Abend machen? Zuerst hatte sie ein wenig Angst vor dem langen Tag und den Feiertagen, aber dann war sie zuversichtlich, dass sie es schaffen würde. Sie hatte in der letzten Zeit so viele Dinge geschafft!

Am Vormittag schmückte sie das Haus weihnachtlich mit ein paar Tannenzweigen und einer Lichterkette. Dann kochte sie sich ein einfaches Mittagessen. Als aber die Dämmerung einsetzte, fühlte sie sich doch etwas einsam und die Traurigkeit griff wieder nach ihrem Herzen.

Es läutete an der Tür. Wer konnte das bloß sein? Es war der Leiter des Kinderheimes. Die Kinder hatten sich so über das Pfefferkuchenhaus gefreut, dass sie beschlossen hatten, auch Anna eine kleine Freude zu machen. Zu den vielen selbstgemalten bunten Bildern bekam sie auch noch einen von den Kindern selbstgebackenen Stollen.

Anna freute sich sehr und während sie mit ihrem Besucher noch ein wenig sprach, läutete es erneut: Die Leiterin des Altenheimes war von den Bewohnerinnen und Bewohnern gebeten worden, Anna ein wenig Weihnachtspunsch vorbeizubringen, denn sie hatten Annas Besuch und ihre freundliche Gabe nicht vergessen! Nun ein 3. Läuten: Margitta, ihre liebe Freundin, hatte sich trotz eigener Familie, Zeit genommen, um Anna heute zu besuchen.

Man kam ins Gespräch, dazu aßen sie den Stollen und tranken den Punsch. Es war sehr gemütlich, doch auch als sich die Besucher verabschiedeten, fühlte sich Anna nicht mehr so allein. Für den 1. Feiertag war sie ins Kinderheim eingeladen worden. Sie hatte sich bereit erklärt, den Kindern einige Weihnachtsgeschichten vorzulesen. Und am 2. Feiertag stand ein Besuch im Altenheim auf dem Plan. Anna war zum Singen weihnachtlicher Lieder eingeladen. Sie würde die Lieder auch am Klavier begleiten.

Anna stand noch eine ganze Weile vor dem Haus, genoss die winterliche Stille und schaute zum sternenklaren Himmel hinauf. Dann sagte sie ganz leise: „Frohe Weihnachten, Adrian!“ In diesem Moment zog eine große, goldschimmernde Sternschnuppe ihre Spur am Himmel … nur für Anna! Und sie freute sich auf die nächsten Tage, auf die Zukunft, auf das Leben …

© Janah Kramer, Lüneburg, 2003


Der Engel und seine Federn

Autor: unbekannt

Es war einmal ein Engel, der hatte große und wunderschöne Flügel. So weiß, wie die Federn eines Schwans und so strahlend hell, wie die Sonne. Dieser Engel machte sich auf den Weg zur Erde. Es war sein erster Flug dorthin und so war er sehr aufgeregt.

Als er nun über die Erde flog und all die schönen Dinge bestaunte, die Gott geschaffen hatte, fiel ihm ein Mensch auf, der in seine Richtung blickte. Von dieser Seltenheit angezogen – hatte er doch im Himmel gelernt, dass nur sehr wenige Menschen Engel sehen konnten - stellte er sich vor den Menschen und fragte: „Du kannst mich sehen?“ „Ja, dich kann ich sehen, auch wenn die Welt für mich immer gleich aussieht.“ Der Mann zeigte auf seine Augen. Er war blind. „Wie geht es dir dabei,wenn die Welt immer gleich aussieht?“ „Manchmal wünsche ich mir nichts mehr, als sie mit meinen eigenen Augen sehen zu können.“ Da schenkte der Engel ihm eine seiner Federn und sagte: „Sie wird dich sehen lassen.“

Auf seinem weiteren Weg bemerkte er einen Menschen, der ihn zu hören schien. Von dieser Seltenheit angezogen – hatte er doch im Himmel gelernt,dass nur sehr wenige Menschen Engel hören konnten – stellte er sich vor den Menschen und fragte: „Du kannst mich hören?“ „Ja, dich kann ich hören, auch wenn die Welt für mich immer still ist.“ Die Frau zeigte auf ihre Ohren. Sie war taub. „Wie geht es dir dabei,wenn sie immer nur still ist?“ „Manchmal wünsche ich mir nichts sehnlicher,als sie mit meinen eigenen Ohren hören zu können.“ Da schenkte der Engel auch ihr eine seiner Federn und sagte: „Sie wird dich hören lassen.“

Als er nun weiter flog, sah er einen Menschen, der seine Anwesenheit zu spüren schien. Von dieser Seltenheit angezogen – hatte er doch im Himmel gelernt, dass nur sehr wenige Menschen Engel spüren konnten – stellte er sich vor den Menschen und fragte: „Du kannst mich spüren?“ „Ja, dich kann ich spüren, auch wenn die Welt meinem Körper keine Wärme gibt.“ Der Mann deutete mit seinem Kopf an sich hinunter, sein Körper saß in einem Rollstuhl. Er war gelähmt von seinem Hals ab. „Wie geht es dir dabei, wenn die Welt deinem Körper keine Wärme gibt?“ „Manchmal wünsche ich mir so sehr, die Sonnenstrahlen auf meinem Körper fühlen zu können und herumzutanzen bis mir meine Füße wehtun.“ Da schenkte der Engel auch ihm eine seiner Federn und sagte: „Sie wird dich spüren und tanzen lassen.“

Der Engel flog über die ganze Welt und traf sehr viele Menschen, denen er eine seiner Federn schenkte. Menschen, die von einer Krankheit befallen waren, Menschen denen es nicht gut ging.

Eines Tages,als er dann ein kleines Mädchen traf, das blind war und alleine am Straßenrand saß, wollte er ihr eine Feder schenken. Doch er musste feststellen, dass er nur noch eine einzige besaß und seine Flügel verschwunden waren. Traurig setzte er sich neben das Mädchen und schenkte ihr seine letzte Feder.

„Wie komme ich denn jetzt noch in den Himmel? Wie kann ich denn jetzt Gott noch nahe sein?“, dachte er traurig.

Aber als sich die Augen des Mädchens öffneten und sie die Farben der Welt sah, strahlte sie heller, als die Flügel des Engels es je getan hatten. Ihr ganzer Körper lachte, strahlte und freute sich über jede einzelne Farbe, jeder einzelne Gegenstand, den sie begutachtete. Sie tollte auf den grünen Wiesen, schaute sich jede einzelne Blume an, möge ihr bloß keine Farbe entgehen und genoss das Sehen können. Und plötzlich stand sie wieder vor dem Engel und sagte leise und nachdenklich: „Wieso hast du mir deine letzte Feder geschenkt, obwohl du jetzt nicht mehr zurück in den Himmel kannst?“

Da lächelte der Engel, denn ihm war etwas klar geworden, als er die Freude des Mädchens gesehen hatte: „Weißt du, dein strahlendes Gesicht hat mich Gott näher gebracht, als all die Jahre im Himmel.“

Und ihm war klar geworden, dass ein Engel keine Flügel besitzen und im Himmel wohnen musste, um ein Engel zu sein. Zwar können Menschen nur selten Engel sehen, hören oder spüren, aber öfter und was viel wichtiger ist: Können Menschen Engel sein, für die Menschen, denen sie etwas Gutes tun. Und macht nicht gerade diese Eigenschaft einen Engel aus?

Hand in Hand ging er mit dem Mädchen die Straße entlang. Er sah nicht mehr aus wie ein Engel, sondern wie ein Mensch. Ein Mensch mit dem Herzen eines Engels.