Eine schöne Bescherung, Geschichte – Festgestaltung
Eine schöne Bescherung
Autor: unbekannt
eine Geschichte zum Vorlesen (Anmerkung: Die hier im Dialekt geschriebenen Passagen, also die direkten Reden, sollte der Vorleser in einer ihm geläufigen Mundart sprechen.)
Was wäre der Heilige Abend ohne Bescherung? - Nicht einmal ein halber Heiliger Abend! Der Heilige Abend und die Bescherung - erst dann ist richtig Weihnachten! Und wie die Weihnachtstage im letzten Jahr bei uns abgelaufen sind, das will ich heute erzählen:
Ich hatte unserem Buben einen Computer gekauft, und seine Mutter bekam einen Fernsehtisch. Das heißt: eigentlich hat sie nur ihr altes Nähtischerl bekommen. Ich hatte es aber etwas auf-gefrischt. Sie hat sich mächtig gefreut über ihr altes, neues Tischerl, unser Bub hat seinen Computer in Schwung gebracht - und ich, ich hab ein bisserl verunsichert und verlegen meine elektrische Heimwerkersäge angeschaut, die für mich unterm Weihnachtsbaum lag.
Wie meine Frau wohl auf die Idee gekommen ist? Was soll man am Heiligen Abend mit einer Säge anfangen? - Eine neue Hose oder ein schönes Hemd mit Krawatte - ja, das könnte man jetzt anprobieren, - aber eine Säge! - Wer will denn am Heiligen Abend schon sägen? Meine Frau muß gemerkt haben, wie mir diese Gedanken so durch den Kopf gegangen sind. Sie hat mich nämlich auf einmal angeschaut und wollte wissen, ob ich denn an der Säge keine Freude habe.
„Ja freili“, sagte ich drauf, „und wia i mi g’frei!“ Was hätte ich denn schon anders sagen können? „I hob mia denkt, dann brauchst nimmer zum Nachbarn ’rübergeh, wennst a Brettl oder an Stecka absägn willst“, hat meine bessere Ehehälfte ihre Geschenkidee begründet. – „A so …!“, hab ich drauf nur gesagt.
Eigentlich hätte sie sich das Geschenk auch sparen können: das Brettlsägen ist halt nicht mein Hobby! Das weiß die auch ganz genau! Ich sitze die ganze Woche am Schreibtisch - und wenn zweimal im Jahr ein Besenstiel kürzer gemacht werden soll oder ein Brettl abzuschneiden ist - ob man deswegen gleich eine elektrische Heimwerkersäge braucht, das fragte ich mich schon! Solche grundsätzlichen Dinge debattiert man am Heiligen Abend aber nicht. Da redet man über andere Sachen und da singt man miteinander! - Oder täusch ich mich da?
(Musik)
Und wie wir so dagesessen sind - da hat doch der Bub den Fernseher einschalten sollen. Mir war das gar nicht recht; ich hab gemeint, an dem Abend sollte die Kiste dunkel bleiben. Aber seine Mutter wollte die Tölzer Sängerknaben sehen! Sie hat gesagt, wer denn bei uns am Heiligen Abend sonst singen würde, wenn nicht die Sängerknaben im Fernsehen!
Und so hatte meine Frau noch nicht ausgeredet, schon war ihr Bub seiner Lieblingsbeschäftigung nachgekommen und hatte den Einschaltknopf gedrückt. Und was glaubt ihr, was er dabei sagte? „Vata, des Tischerl wacklt!“ - Dass sich der Bub auch in alles dreinmischen muss, - das hat er von seiner Mutter. „Dann lass ’n wackln", sagte ich, "der Fuaßbodn is da hintn net ganz grod!“
„Aber d’ Fernseher soi wirkli net wackln“, hat die Mutter gemeint, die Bildröhre würde darunter leiden. Da müsse augenblicklich was dagegen gemacht werden. - Gott sei Dank haben in dem Moment die Tölzer Sängerknaben zum Singen angefangen. „So schee singa die bloß am Heilign Abend“, hat meine Frau gesagt und dabei übers ganze Gesicht gestrahlt, wie’s Christkindl.
„Und wia fesch die heit ausschaung!“ Ganz verklärt hat sie dabei auf die Buben geschaut. - Ich kann halt auch nichts dafür, dass ich nicht so schön singen kann, wie die Buben aus Bad Tölz - und so ein schönes Gesicht hab ich halt auch nicht mehr - ich schau immer gleich aus, das ganze Jahr, ob am Karfreitag oder am Pfingstmontag. Da ist nichts mehr zu machen!
(Musik)
„Entweda is des d’ Fuaßbodn, oda a Tischfuaß is z’ kurz. Ma muass hoit glei donoch schaung“, hat jetzt die Mutter gesagt. „Guat, dann schaung ma hoit!“ - Und da ist doch wirklich ein Fuß zu kurz gewesen. Ich wollte was zum Unterlegen suchen, aber da fuhr meine Alte ganz energisch dazwischen: „Da werd nix untalegt - d’ Füaß miassn abgsägt wer’n“, plärrte sie, und verwies dabei unmissverständlich auf die neue Heimwerkersäge, auf mein Weihnachtsgeschenk!
„Iatz brauchst nimma zum Nachbarn umigeh“, hat sie bestimmt, „iatz kunnst des mit da eigna Säg macha!“ - Hat je ein Mensch am Heiligen Abend in seiner Stube schon einmal Tischfüße absägen müssen? Sie setzte noch eins drauf: „Morgn, um zwölfe, muass der Tisch grod steh! Do gibt da Heilige Vadda aus Rom sein Segn - und den Weihnachtssegn vom Helign Vadda, den lass i mia net auskemma!“
Ich weiß aus Erfahrung, dass sie nie locker läßt - und ich wusste auch, was ihr vorschwebte: ich sollte sägen, einfach nur sägen, um alles in der Welt: sägen! - Vielleicht traute sie mir am Ende die Sägerei gar nicht zu? . . . Aber die wird Augen machen, der werde ich’s zeigen, dachte ich!
(Musik)
Am ersten Weihnachtsfeiertag, gleich nach dem Kirchgang, hab ich kurzen Prozess gemacht: ich nahm meine Säge in die rechte Hand, das Tischerl in die linke: - und schon hat sie losgepfiffen, die Säge, wie ein D-Zug! Unser Bub kam gleich wie ein geölter Blitz in die Stube gesaust, und seine Mutter hat in der Küche einen markerschütternden Schrei losgelassen: "Jessas, Maria und Josef!" hat sie geplärrt und ist auch schon dagestanden. Und ich hab endlich zeigen können, dass ich auch sägen kann – und nicht bloß unser Nachbar!
Ehrlicher Weise muss ich zugeben, dass es mich schon überraschte, wie rasant das Sägeblatt in die Tischfüße gefahren ist. Mit einem einzigen „Rrrratsch“ war jeder Fuß blitzschnell gekürzt. Also, sägen konnte sie, die Maschine, da gab es nichts auszusetzen!
So! – Jetzt konnte ich triumphieren! Mit so was hatten die zwei nämlich nicht gerechnet! Ich hab dann anschließend das Tischerl wieder an seinen Platz gestellt und den Fernseher obendrauf. - Und dann war’s Zeit zum Mittagessen, und Punkt 12 Uhr wurde auch der Fernseher wieder eingeschaltet - wegen dem Heiligen Vater seinem Segen . . . Und unser Bub ist wieder seiner Lieblingsbeschäftigung nachgekommen und hat auf den Einschalt-Knopf gedrückt.
„Babba, iatz wacklt des Tischerl no mehra wia gestern!“ - Nur nichts anmerken lassen!, dachte ich, der Kerl will mich bloß provozieren … Gott sei Dank ist in diesem Moment der Heilige Vater auf dem Bildschirm erschienen . . . und ich hatte somit erst mal meine Ruhe. - Wie aber die Sendung mit dem Papst beendet war und die Mutter den Fernseher ausschalten wollte, hat sie es auch gemerkt und hat gemeint, dass das unmöglich sei, mit dem wackligen Tischerl: „Des Glump wacklt ja oiwei no wia a Kuahschwanz - des konn ma so net lassn!“, stellte sie mit einem vielsagenden Blick zu mir fest.
Da hab ich mich kaum mehr beherrschen können und gesagt, dass es natürlich sein könnte, dass ein Fuß noch ein bisschen zu lang sei. - „Des spuit ois koa Roin, mia hab’n ja jetzt a Säg!“, beschwichtigte mich meine liebe Frau ganz entschieden. - Ich bin so leicht nicht aus der Ruhe zu bringen. Aber wie sie dann fragte, ob wohl der heilige Josef als Zimmermann in Nazareth auch so wacklige Tischerl gemacht hätte, da ging mir der Gaul durch. „I bin ja schließlich koa Zimmermo und koa Schreiner a net!“, hab ich gebrüllt, „und jednfalls hot d’ Josef damois a langsamere Säg ghabt!“ - Ich hatte, ehrlich zugegeben, schon beim Sägen gemerkt, dass die Säge vielleicht einen Millimeter zuviel abgenommen haben könnte. - Aber, dass die mir jetzt auch noch mit dem heiligen Josef kam: des schlug dem Faß den Boden aus!
(Musik)
Warum ist der heilige Josef ausgerechnet ein Zimmermann gewesen? Der hätte doch auch Schmied oder Schneider sein können! Jawohl! Schneider! Aber nein, Zimmermann hat er sein müssen – ein Holzwurm …: Josef - der Säger! - Und mit dem musste ich mich jetzt vergleichen lassen - mit dem gutmütigen, heiligen, braven Zimmermann! - Ich hatte ein Gefühl, als müsste ich mich nun mit zwei Gegnern auseinander setzen: mit meiner Säge und dem heiligen Josef!
Aber schließlich hab ich ja auch meinen Stolz, und so bin ich gleich nach dem Mittagessen mit der Säge und dem Tischerl in meine Garage gegangen, die mir auch als kleine Werkstatt dient. Mit dem Meterstab hab ich jetzt ganz genau Maß genommen und versucht, die Füße auf gleiche Länge zu bringen. - Und dann hab ich das Tischerl wieder ins Zimmer zurückgestellt und bin ganz beruhigt zum Oberwirt gegangen!
Am Abend sind wir dann wieder alle drei in der guten Stube gesessen. Ich hab gar nicht mehr an das Malheur mit dem Fernseh-Tischerl gedacht, da meinte meine Frau: „Mia kunnt’n heut Abend im Fernsehn a Oper anschaun; es kimmt ’Zar und Zimmermann’. - Zimmermann! Schon wieder Zimmermann! - Da hat es in mir ganz gewaltig gezuckt und gebebt, und ich hab mich mit aller Gewalt an meinem Sessel festhalten müssen, sonst wäre ich aufgestanden und davon gelaufen. - Wie viele Zimmermänner bringt das Weib an diesen Weihnachtstagen eigentlich noch daher? Natürlich hatte ich inzwischen gemerkt, dass der Fernsehtisch immer noch wackelt. Ich konnte mir bloß denken, dass das Sägeblatt zu grob ist für so eine feine, akurate Arbeit. Weil: gemessen hab ich ganz genau!
Und wie der Bub dann wieder den Fernseher einschaltete, haben er und sie gelacht! Ja, stellt euch das vor: Weihnachten, das Fest der Liebe - und die zwei lachen - spöttisch! Da ist mir der Kragen geplatzt: „A Säg alloa tuats net!“, hab ich mich laut verteidigt. „Wenn ma’ gnau sägn soi, dann muass ma des Graffe in a Howebank ei’spanna kenna, und ma’ muass Schraubnzwinga hab’n, zum Festklemma! Da langa hoit die eigna Knia net - und wenn d’ Josef aa koa Howebank ghabt hätt, dann hättn drunt in Nazareth sämtliche Tisch g’wacklt - des is scho amoi ganz gwiss!“
Am zweiten Feiertag hab ich dann ganz von vorn angefangen mit der Messerei und Abschneiderei der Tischfüße. Gemessen - gesägt, wieder gemessen - und wieder gesägt, immer wieder.
Ich hab mich richtig reingesteigert! – Und ob ihr es glaubt oder nicht: mir ist das alles mit einem mal völlig egal gewesen, mir ist es gar nicht mehr so drauf angekommen. - Das ist so weit gegangen, dass auf einmal das Tischerl zu einem Fußschemel geschrumpft war: „Zu wos braucht des Tischerl überhaupts soiche blädn Hoizfüaß“, ist es mir durch den Kopf gegangen? – Und: ratsch – ratsch – ratsch – und ein viertes Mal ratsch … und die Füße waren weg, ratzebutz alle weg – und ich hatte bloß noch die Tischplatte in der Hand …
(Musik)
Am andern Tag hab ich beim OBI vier Metallfüße gekauft und an die Tischplatte geschraubt. "Warum net glei so?", fuhr es mir durch den geplagten Kopf: jetzt, mit den Metallfüßen, kann mir niemand mehr kommen mit der Holzsäge, nicht einmal mit meiner elektrischen: der Bub nicht, seine Mutter nicht, und der Josef gleich gar nicht - der heilige Säger und Zimmermann!
Jetzt hatte ich wieder Oberwasser. – Und wie das Tischerl dann mit seinen Metallfüßen immer noch gewackelt hat, hab ich mich ganz ruhig in meinem Sessel ausgestreckt - und hab es wackeln lassen. - Meine holde Gattin hat keinen Laut von sich gegeben, sie ist nur aufgestanden und hat das wacklige Tischfüßerl eigenhändig mit einem Filzstückerl unterlegt. Dann hat sie noch einmal gerüttelt, und wie diese Probe zu ihrer Zufriedenheit ausgefallen ist, hat sie sich auch ganz gemütlich und zufrieden in ihren Sessel gesetzt.
Ganz zufällig haben wir uns dann alle drei gleichzeitig angeschaut - haben zuerst nur ein bisserl das Gesicht verzogen - und auf einmal haben wir gelacht und immer lauter gelacht ndash; und dieses Lachen ist für uns die schönste Bescherung geworden - obwohl der Heilige Abend längst vorbei war …
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