Lametta, Gedicht – Festgestaltung

Lametta

Weihnachten naht, das Fest der Feste,
das Fest der Kinder, Fest der Gäste –
da geht es vorher hektisch zu,
von früh bis abends – keine Ruh.
Ein Hetzen, Kaufen, Proben, Messen –
hat man auch niemanden vergessen?
So ging ’s mir keine Ahnung habend,
vor ein paar Jahren Heilig Abend,
der zudem noch ein Sonntag war.
Saß grade bei der Kinderschar,
da sprach mein Weib: „Tu dich nicht drücken,
du hast heut noch den Baum zu schmücken!“

Da Einspruch meistens mir nichts nützt,
hab’ kurz darauf ich schon geschwitzt:
den Baum gestutzt, gebohrt, gesägt
und in den Ständer eingelegt.
Dann kamen Kugeln, Kerzen, Sterne,
Krippenfiguren mit Laterne.
Zum Schluss – ja Himmeldonnerwetter –
nirgends fand ich das Lametta!

Es wurde meiner Frau ganz heiß
und stotternd sprach sie: „Ja, ich weiß,
im letzten Jahr war’s arg verschlissen –
drum hab ich’s damals weggeschmissen.
Und in dem Trubel dieser Tage,
bei meiner Arbeit, Müh’ und Plage –
vergaß ich Neues zu besorgen,
ich werd es von den Nachbarn borgen!“

Die Nachbarn – links, rechts, drunter, drüber –
die hatten kein Lametta über!
Da schauten wir uns an verdrossen –
die Läden sind ja auch geschlossen!
So sprach ich dann zu meinen Knaben:
„Hört zu wir werden heuer haben,
einen Baum – altdeutscher Stil,
weil mir Lametta nicht gefiel!“
Da gab es Heulen, Schluchzen, Tränen
und ich gab nach den Schmerzfontänen:
„Hört endlich auf mit dem Gezeter –
ihr kriegt einen Baum mit viel Lametta!“

Zwar konnte ich da noch nicht begreifen,
woher ich nehm’ die Silberstreifen?
Doch gerade als ich sucht mein Messer –
da les’ ich: HENGSTENBERG MILDESSA.

Es war die Sauerkrautkonserve!
Ich kombinier mit Messers Schärfe,
hier liegt die Lösung eingebettet,
das Weihnachtsfest – es ist gerettet!
Schnell wurd’ der Deckel aufgedreht,
das Kraut gepresst, so gut es geht –
zum Trocknen – einzeln aufgehängt –
und dann geföhnt, doch nicht versengt!
Die trocknen Streifen, sehr geblichen
mit Silberbronze angestrichen –
auf beiden Seiten – Silberkleid.
Oh freue dich, du Christenheit!

Der Christbaum ward’ einmalig schön,
wie selten man ihn hat gesehen.
Zwar roch’s süßsauer zur Bescherung –
geruchlich gab’s ’ne Überquerung –
weil mit Benzin ich wusch die Hände,
mit Nitro reinigte die Wände.
Dazu noch Räucherkerz’ und Myrrhe –
der Duft die Menge leicht verwirrte!
Und jedermann sprach still, verwundert:
„Hier riecht’s nach technischem Jahrhundert!“

Ne Woche drauf – ich saß gemütlich –
im Sessel, las die Zeitung friedlich,
den Bauch voll Feiertage-Reste,
’s war wieder Sonntag – und Sylvester.
Da sprach mein Weib: „Du weißt Bescheid!?
Es kommen heut’ zur Abendzeit
Schulzes, Lehmanns und Herr Maier
zu unserer Sylvesterfeier!
Wir werden leben wie die Fürsten,
denn es gibt Sauerkraut mit Würsten!"
Ein Schrei ertönt, entsetzt sie schaut,
am Christbaum hängt das Sauerkraut!

"Vergessen, neues zu besorgen,
ich werd’ es von den Nachbarn borgen!"
Die Nachbarn – links, rechts, drunter, drüber –
die hatten leider keines über.
Da schauten wir uns an verdrossen –
die Läden sind ja auch geschlossen!
Und so ward’ wieder ich der Retter –
nahm ab vom Baume das Lametta.
Mit Terpentin und mit Bedacht
hab’ ich das Silber abgemacht.
Das Kraut dann gründlich durchgewässert,
mit reichlich Essig noch verbessert,
dazu noch Nelken, Pfeffer, Salz
und Curry, Ingwer, Gänseschmalz.
Dann, als das ganze sich erhitzte –
das Kraut, das funkelte und blitzte –
da konnt’ ich nur nach oben fleh’n:
„Lass diesen Kelch vorübergehen!“

Als später dann das Kraut serviert
ist auch noch folgendes passiert:
Da eine Dame musste niesen,
sah man aus ihrem Näs’chen sprießen
tausend kleine Silbersterne:
„Mach’s doch noch mal – ich seh’ das gerne!“
So rief man ringsum, hocherfreut –
nur die Dame wusste nicht Bescheid.
Franziska Lehmann sprach zum Franz:
„Dein Goldzahn hat heut’ Silberglanz!“
Und einer, der musste mal,
der rief: „Ich habe heut’ ’nen Silberstrahl!“
So gab’s nach dieser Krautmethode
noch manche nette Episode:
Beim Heimgang sprach ein Gast zu mir:
„Es hat mir gut gefallen hier!
Doch wär’ die Wohnung noch viel netter,
hätt’st du am Weihnachtsbaum Lametta!“
Ich konnte da gequält nur lächeln –
und mir noch frische Luft zufächeln.
Ich sprach, und klopfte ihm auf’s Jäckchen:
„Im nächsten Jahr, da kauf’ ich hundert Päckchen!“

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