Herbstlese
Autor: Ferdinand von Saar
Schon blicken rote Wipfel
Aus fahlem Laub hervor,
Leis’ um der Berge Gipfel
Wallt lichter Nebelflor.
Des Jägers rascher Schuss –
Doch reift’s noch an den Zweigen
Im letzten Sonnenkuss.
Bald nahen frohe Hände,
Sie schütteln Ast um Ast,
Sie brechen vom Gelände
Der Trauben süße Last.
Denn so ist’s allerwegen:
Dass für des Sommers Fleiß
Mit köstlich reichem Segen
Der Herbst zu lohnen weiß.
Doch was ist dir beschieden,
Der du die Zeit verträumt,
Der du, zu sä’n hienieden,
Zu pflanzen hast versäumt?
Da du im Frühlingshauche
Nach Rosen nur gesucht:
So pflück’ vom dorn’gen Strauche
Dir jetzt die herbe Frucht.

Bild von Султан Малахмедов auf Pixabay
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