Herbstgedichte von Theodor Storm

Herbstgedichte, Herbstlyrik, Herbstpoesie – von Theodor Storm

Inhaltsverzeichnis

Herbstgedichte

Herbst – Theodor Storm

Autor: Theodor Storm

1

Schon ins Land der Pyramiden
Flohn die Störche übers Meer;
Schwalbenflug ist längst geschieden,
Und die Sonne scheint nicht mehr.

Seufzend in geheimer Klage
Streift der Wind das letzte Grün;
Und die süßen Sommertage,
Ach, sie sind dahin, dahin!

Nebel hat den Wald verschlungen,
Der dein stilles Glück gesehn;
Ganz in Duft und Dämmerungen
Will die schöne Welt vergehn.

Nur noch einmal bricht die Sonne
Unaufhaltsam durch den Duft,
Und ein Strahl der alten Wonne
Rieselt über Tal und Kluft.

Und es leuchten Wald und Heide,
Dass man sicher glauben mag:
Hinter allem Winterleide
Liegt ein ferner Frühlingstag.

2

Die Sense rauscht, die Ähre fällt,
Die Tiere räumen scheu das Feld,
Der Mensch begehrt die ganze Welt.

3

Und sind die Blumen abgeblüht,
So brecht der Äpfel goldne Bälle;
Hin ist die Zeit der Schwärmerei,
So schätzt nun endlich das Reelle!

Oranges Blatt im Herbst
Oranges Blatt im Herbst
Bild von Schorsch auf Pixabay

Über die Heide

Autor: Theodor Storm

Über die Heide hallet mein Schritt;
Dumpf aus der Erde wandert es mit.

Herbst ist gekommen, Frühling ist weit -
Gab es denn einmal selige Zeit?

Brauende Nebel geisten umher;
Schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer.

Wär ich hier nur nicht gegangen im Mai!
Leben und Liebe - wie flog es vorbei!

Blühende Heidelandschaft bei Sonnenaufgang
Blühende Heidelandschaft bei Sonnenaufgang
Bild von Evgeni Tcherkasski auf Pixabay