Wintergedichte – Georg Heym

Wintergedichte, Winterlyrik, Winterpoesie – Georg Heym

Inhaltsverzeichnis

Wintergedichte

Der Winter I

Autor: Georg Heym

Der Sturm heult immer laut in den Kaminen
Und jede Nacht ist blutig-rot und dunkel.
Die Häuser recken sich mit leeren Mienen.

Nun wohnen wir in rings umbauter Enge,
Im kargen Licht und Dunkel unserer Gruben,
Wie Seiler zerrend grauer Stunden Länge.

Die Tage zwängen sich in niedre Stuben,
Wo heisres Feuer krächzt in großen Öfen.
Wir stehen an den ausgefrornen Scheiben
Und starren schräge nach den leeren Höfen.

Dorfstraße im Winter
Dorfstraße im Winter
Bild von Dan Fador auf Pixabay

Der Winter II

Autor: Georg Heym

Der blaue Schnee liegt auf dem ebenen Land,
Das Winter dehnt. Und die Wegweiser zeigen
Einander mit der ausgestreckten Hand
Der Horizonte violettes Schweigen.

Hier treffen sich auf ihrem Weg ins Leere
Vier Straßen an. Die niedren Bäume stehen
Wie Bettler kahl. Das Rot der Vogelbeere
Glänzt wie ihr Auge trübe. Die Chausseen

Verweilen kurz und sprechen aus den Ästen.
Dann ziehn sie weiter in die Einsamkeit
Gen Nord und Süden und nach Ost und Westen,
Wo bleicht der niedere Tag der Winterzeit.

Ein hoher Korb mit rissigem Geflecht
Blieb von der Ernte noch im Ackerfeld.
Weißbärtig, ein Soldat, der nach Gefecht
Und heißem Tag der Toten Wache hält.

Der Schnee wird bleicher, und der Tag vergeht.
Der Sonne Atem dampft am Firmament,
Davon das Eis, das in den Lachen steht
Hinab die Straße rot wie Feuer brennt.


Die Bäume knarren …

Autor: Georg Heym

Die Bäume knarren, wirr betäubt.
Sie wissen nicht, was sie auseinander treibt,
Ihre haarlosen Schöpfe.

Und die Raben, über den Wäldern gesträubt,
Streifen in das Verschneite weit,
Eine klagende Herde.

Die Blumen starben in der goldenen Zeit
Und Winter jagt uns über dunkle Erde.

Raben auf schneebedeckten Baum
Raben auf schneebedeckten Baum
Bild von wal_172619 auf Pixabay

Mitte des Winters

Autor: Georg Heym

Das Jahr geht zornig aus. Und kleine Tage
Sind viel verstreut wie Hütten in den Winter.
Und Nächte, ohne Leuchte, ohne Stunden,
Und grauer Morgen ungewisse Bilder.

Sommerzeit, Herbstzeit, alles geht vorüber,
Und brauner Tod hat jede Frucht ergriffen.
Und andre kalte Sterne sind im Dunkel,
Die wir nicht sahn von dem Dach der Schiffe.

Weglos ist jedes Leben. Und verworren
Ein jeder Pfad. Und keiner weiß das Ende,
Und wer da suchet, dass er Einen fände,
Der sieht ihn stumm, und schüttelnd leere Hände.

Winterlandschaft im Schwarzwald
Winterlandschaft im Schwarzwald
Bild von Ingo Jakubke auf Pixabay

Winterwärts

Autor: Georg Heym

Eben noch goldiger Maienglanz
Heute schon fallender Blätter Tanz.
Müde senkt sich der welke Mohn
Leise taumeln die Flocken schon.
Und ein großes Schweigen
Hüllt die Welten ein.
Tod mit seiner Geigen
Schreitet auf dem Rain.

Verwelkter Mohn im Winter
Verwelkter Mohn im Winter
Bild von beauty_of_nature auf Pixabay