Gedichte
Der Hahn

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Autor: Robert Reinick
In der Sonne steht der Hahn,
redet seine Hennen an:
„Seht mich an! Wo ist der Mann,
der mit mir sich messen kann?
Seht dies Auge, groß und mächtig,
meine Federn, golden, prächtig,
meines Kammes Majestät,
diese rote Krone, seht! -
Meine Haltung, stolz und schlank,
meines Rufs Trompetenklang
und mein königlicher Gang,
an den Füßen diese Sporen:
alles zeigt einen Mann,
der wahrhaftig sagen kann,
dass zum Helden er geboren!“
Also spricht der stolze Hahn,
kräht, so laut er krähen kann. -
Plötzlich kommt ein kleiner Mops,
springt und bellt mit lust’gem Hops
nur zum Spaß den Helden an,
und - o seht, der kühne Mann
läuft, was er nur laufen kann. -
Ach, du jämmerlicher Hahn.
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Das Huhn und der Karpfen
Autor: Heinrich Seidel
Auf einer Meierei
Da war einmal ein braves Huhn,
Das legte, wie die Hühner tun,
An jedem Tag ein Ei
Und kakelte,
Mirakelte,
Spektakelte,
Als ob’s ein Wunder sei!
Es war ein Teich dabei,
Darin ein braver Karpfen saß
Und stillvergnügt sein Futter fraß,
Der hörte das Geschrei:
Wie’s kakelte,
Mirakelte,
Spektakelte,
Als ob’s ein Wunder sei!
Da sprach der Karpfen: „Ei!
Alljährlich leg’ ich ’ne Million
Und rühm’ mich des mit keinem Ton;
Wenn ich um jedes Ei
So kakelte,
Mirakelte,
Spektakelte -
Was gäb’s für ein Geschrei!“
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Der Bussard und die Ratte
Autor: Olaf Lüken
Am Himmel zog er seine Kreise.
Kurz darauf - ein schriller Schrei.
Ein Bussard, der auf Fressensreise,
sein Blick knallscharf, sein Futter scheu.
Eine Ratte, deren Ohren schmerzten,
hatte ihre Lauscher zugestopft.
Dem Bussard war es nicht zum Scherzen,
als er den Nager nahm beim Schopf.
Festgekrallt in beiden Fängern,
blieb die Ratte nicht verschont.
sie tat am Lebensfaden hängen,
Ihr Wehgeschrei? - unbelohnt …
Der Bussard, der die Ratte verzehrte.
Er löschte ruck-zuck ihr Dasein aus.
Der Ohrenschutz war das Verkehrte,
verließe mit Schmerzen gesünder das Haus.
© Olaf Lüken
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Der große und der kleine Hund, oder Packan und Alard
Autor: Matthias Claudius
Ein kleiner Hund, der lange nichts gerochen
Und Hunger hatte, traf es nun
Und fand sich einen schönen Knochen
Und nagte herzlich dran, wie Hunde denn wohl tun.
Ein großer nahm sein wahr von fern:
„Der muß da was zum Besten haben,
Ich fresse auch dergleichen gern;
Will doch des Wegs einmal hintraben.“
Alard, der ihn des Weges kommen sah,
Fand es nicht ratsam, daß er weilte;
Und lief betrübt davon, und heulte,
Und seinen Knochen ließ er da.
Und Packan kam in vollem Lauf
Und fraß den ganzen Knochen auf.
Ende der Fabel
„Und die Moral?“ Wer hat davon gesprochen? –
Gar keine! Leser, bist du toll?
Denn welcher arme Mann nagt wohl an einem Knochen,
Und welcher reiche nähm ihn wohl?
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Der Hirsch, der Hase und der Esel
Autor: Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Ein Hirsch, mit prächtigem Geweih
Von achtzehn Enden ging spazieren.
Ein Hase lief vorbei,
Sah ihn und stutzte. Starr auf allen vieren
Steht er und gafft ihn an.
Macht Männchen, geht heran,
Sagt: „Lieber, sieh mich an!
Ich bin ein kleiner Hirsch;
Denn spitz ich meine Ohren,
So hab ich solch Geweih wie du!“
Ein Esel hörte zu,
Sprach: „Häschen, du hast recht;
Wir sind von einerlei Geschlecht,
Der Hirsch und ich und du!“
Der Hirsch tat einen Seitenblick,
Und ging in seinen Wald zurück!
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Der Kuckuck
Autor: Christian Fürchtegott Gellert
Der Kuckuck sprach mit einem Star,der aus der Stadt entflohen war.
„Was spricht man“, fing er an zu schrein,
„was spricht man in der Stadt von unsern Melodein?
Was spricht man von der Nachtigall?“
„Die ganze Stadt lobt ihre Lieder.“
„Und von der Lerche?“ rief er wieder.
„Die halbe Stadt lobt ihrer Stimme Schall.“
„Und von der Amsel?“ fuhr er fort.
„Auch diese lobt man hier und dort.“
„Ich muß dich doch noch etwas fragen“:
„Was“, rief er, „spricht man denn von mir?“
„Das“, sprach der Star, „das weiß ich nicht zu sagen;
denn keine Seele red’t von dir.“
„So will ich“, fuhr er fort,
„mich an dem Undank rächen
und ewig von mir selber sprechen.“
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Der Löwe und der Fuchs
Autor: Johann Wilhelm Ludwig Gleim
„Herr Löwe“, sprach ein Fuchs, „ich muss
es dir nun sagen, mein Verdruss
hat sonst kein Ende.
Der Esel spricht von dir nicht gut;
er sagt, was ich an dir zu loben fände,
das wüßt´ er nicht; dein Heldenmut
sei zweifelhaft; auch gäbst du keine Proben
von Großmut und Gerechtigkeit;
und würgest ohne Unterschied,
er könne dich nicht loben.“
Ein Weilchen schwieg der Löwe still,
dann sprach er: „Fuchs! er spreche, was er will;
denn was von mir ein Esel spricht,
das acht ich nicht.“
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Die Ziege und der Wolf
Autor: Olaf Lüken
Eine Ziege saß allein im Stroh,
langweilte sich, war gar nicht froh.
Noch gestern sie ihr Herz verlor,
es war ein Bock, den sie erkor.
Ein Wolf, der hatte schnell erkannt,
´ne Ziege, die sich recht armselig fand.
Isegrim kam angelaufen,
wollte sich die Ziege „kaufen“:
„Schönes Zicklein, du bist so still,
bin ein Freund, der nur Gutes will.
Werde dir helfen, Tag und Nacht!
Beschütze dich und halte die Wacht!“
„Sag’ mir nur, wo drückt dir der Schuh?
Du erzählst, und ich höre dir zu!“
„Ach! – weißt du“, sprach das Zickelein:
„Warum soll nur ich alleine sein?“
„Mein Bock ist gestern mir weggelaufen,
treibt es mit einem Ziegenhaufen.
Bin ganz verzweifelt über mein Leben,
Spür’ schon jetzt ein inn’res Beben.“
Der Wolf erwiderte gleich darauf:
„Recht hast du!“ und fraß sie auf.
© Olaf Lüken
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Eine Fabel
Autor: Matthias Claudius
Vor etwa achtzig, neunzig Jahren,
Vielleicht sinds hundert oder mehr,
Als alle Tiere hin und her
Noch hochgelahrt und aufgekläret waren,
Wie jetzt die Menschen ohngefähr;
– Sie schrieben und lektürten sehr,
Die Widder waren die Skribenten,
Die andern: Leser und Studenten,
Und Zensor war: der Brummelbär. –
Da kam man supplicando ein:
„Es sei unschicklich und sei klein,
Um seine Worte und Gedanken
Erst mit dem Brummelbär zu zanken,
Gedanken müßten zollfrei sein!“
Der Löwe sperrt den Bären ein,
Und tat den Spruch: „Die edle Schreiberei
Sei künftig völlig frank und frei!“
Der schöne Spruch war kaum gesprochen,
So war auch Deich und Damm gebrochen.
Die klügern Widder schwiegen still,
Laut aber wurden Frosch und Krokodil,
Seekälber, Skorpionen, Füchse,
Kreuzspinnen, Paviane, Lüchse,
Kauz, Natter, Fledermaus und Star,
Und Esel mit dem langen Ohr etc. etc.
Die schrieben alle nun, und lieferten Traktate:
Vom Zipperlein und von dem Staate,
Vom Luftballon und vom Altar,
Und wußtens alles auf ein Haar,
Bewiesens alles sonnenklar,
Und rührten durcheinander gar,
Dass es ein Brei und Greuel war.
Der Löwe ging mit sich zu Rate
Und schüttelte den Kopf und sprach:
„Die besseren Gedanken kommen nach;
Ich rechnete, aus angestammtem Triebe,
Auf Edelsinn und Wahrheitliebe –
Sie waren es nicht wert die Sudler, klein und groß;
Macht doch den Bären wieder los!“
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Fink und Frosch I
Autor: Wilhelm Busch
Auf leichten Schwingen frei und flink
Zum Lindenwipfel flog der Fink
Und sang an dieser hohen Stelle
Sein Morgenlied so glockenhelle.
Ein Frosch, ein dicker, der im Grase
Am Boden hockt, erhob die Nase,
Strich selbstgefällig seinen Bauch
Und denkt: Die Künste kann ich auch.
Alsbald am rauhen Stamm der Linde
Begann er, wenn auch nicht geschwinde,
Doch mit Erfolg emporzusteigen,
Bis er zuletzt von Zweig zu Zweigen,
Wobei er freilich etwas keucht,
Den höchsten Wipfelpunkt erreicht
Und hier sein allerschönstes quaken
Ertönen läßt aus vollen Backen.
Der Fink, dem dieser Wettgesang
Nicht recht gefällt, entfloh und schwang
Sich auf das steile Kirchendach.
Wart, rief der Frosch, ich komme nach.
Und richtig ist er fortgeflogen,
Das heißt, nach unten hin im Bogen,
So daß er schnell und ohne Säumen,
Nach mehr als zwanzig Purzelbäumen,
Zur Erde kam mit lautem Quak,
Nicht ohne großes Unbehagen.
Er fiel zum Glück auf seinen Magen,
Den dicken, weichen Futtersack,
Sonst hätt er sicher sich verletzt.
Heil ihm! Er hat es durchgesetzt.
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Fink und Frosch II
Autor: Wilhelm Busch
Im Apfelbaume pfeift der Fink
Sein: pinkepink!
Ein Laubfrosch klettert mühsam nach
Bis auf des Baumes Blätterdach
Und bläht sich auf und quakt: „Ja ja!
Herr Nachbar, ick bin och noch da!“
Und wie der Vogel frisch und süß
Sein Frühlingslied erklingen ließ,
Gleich muss der Frosch in rauen Tönen
Den Schusterbass dazwischen dröhnen.
„Juchheija heija!“ spricht der Fink.
„Fort flieg ich flink!“
Und schwingt sich in die Lüfte hoch.
„Wat!“ ruft der Frosch, „dat kann ick och!“
Macht einen ungeschickten Satz,
Fällt auf den harten Gartenplatz,
Ist platt, wie man die Kuchen backt,
Und hat für ewig ausgequakt.
Wenn einer, der mit Mühe kaum
Geklettert ist auf einen Baum.
Schon meint, dass er ein Vogel wär,
So irrt sich der.
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Fuchs und Bär
Autor: Matthias Claudius
Kam einst ein Fuchs vom Dorfe her,
früh in der Morgenstunde,
und trug ein Huhn im Munde;
und es begegnet’ ihm ein Bär.
„Ah! Guten Morgen, gnädiger Herr!
Ich bringe hier ein Huhn für Sie;
Ihr Gnaden promenieren ziemlich früh,
wo geht die Reise hin?“
„Was heißest du mich gnädig, Vieh!
Wer sagt dir, daß ich’s bin?“
„Sah euren Zahn, wenn ich es sagen darf,
und euer Zahn ist lang und scharf.“
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Hahn und Fuchs
Autor: Olaf Lüken
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„Steh’ auf dem Hof, bin euer Chef!
Brauch’ kein wau-wau und kein kläff-kläff!
Schaut mich an, bin euer Mann,
der sich mit ALLEN messen kann!
Meine Krallen, stark und mächtig,
bunte Federn, die sehr prächtig!
Bin im Hof die Majestät,
bin stets da, bin nie zu spät!“
„Mein Gebaren? – stolz und schlank.
Mein Kikeriki – Trompetenklang.
Ich steh’ hier, mir schwillt der Kamm,
Bin die Kreide und der Schwamm!“
Plötzlich taucht auf, ein kleiner Fuchs,
Augen wie ein großer Luchs.
Kündigt mit Spaß den Helden an.
Grinst, wie ein Fuchs nur grinsen kann.
Meinen König sehen wir laufen.
Rennt die Hühner über’n Haufen.
Unser Hahn? - ein kleiner Mann,
rennt, wie ein Feigling rennen kann!
© Olaf Lüken
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Im See
Autor: Joachim Ringelnatz
Der Hering erzählt zur nächtlichen Zeit
Dem Walfisch die letzte Neuigkeit:
„Frau Aal hat neulich den Hummer geneckt,
Indem sie ihn aus dem Schlummer geweckt.
Da gab es einen großen Disput.
Der Hummer fauchte und kochte vor Wut.
Und weil er kochte, so wurde er rot.
Und als er rot war, da war er schon tot.“
„Ja“, seufzet der Walfisch und weint gar sehr,
„Ja, tote Hummer, die leben nicht mehr.“
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