Es war einmal ein Tännelein
mit braunen Kuchenherzlein
und Glitzergold und Äpflein fein
und vielen bunten Kerzlein:
Das war am Weihnachtsfest so grün
als fing es eben an zu blühn.
Doch nach nicht gar zu langer Zeit,
da stands im Garten unten,
und seine ganze Herrlichkeit
war, ach, dahingeschwunden.
die grünen Nadeln warn'n verdorrt,
die Herzlein und die Kerzlein fort.
Bis eines Tags der Gärtner kam,
den fror zu Haus im Dunkeln,
und es in seinen Ofen nahm -
Hei! Tats da sprühn und funkeln!
Und flammte jubelnd himmelwärts
in hundert Flämmlein an Gottes Herz.
Vom Walde draußen bin ich her,
ich wusste gleich, es weihnachtet sehr,
als dieser Kerl mit Beil und Schlitten,
verdächtig um mich rumgeschlichen.
Jetzt fängt er an mich umzuhauen,
Au! Das tut weh! Der will mich klauen!
Der wird sich wundern hat er mich zu Haus.
Denn leider gehen mir die Nadeln aus.
Der Förster meint, das käm vom sauren Regen,
so schlimm wie dies Jahr sei´s noch nie gewesen.
Nun schmeißt er mich auf seinen Schlitten,
und zurrt mich fest.
Jetzt schnell noch eine Minitanne ausgerissen,
damit zum Fest
die Oma auch ein Bäumchen hat und nichts wie weg.
Womöglich macht zu dieser Stunde,
der Förster grade seine Runde,
und dem möchte er nicht in die Arme laufen.
Er hastet eilig durch den Wald,
inzwischen ist ihm lausig kalt.
Fliegt über eine Wurzel hin,
und schrammt sich auf das Doppelkinn.
Bleibt steh´n um etwas zu verschnaufen,
und merkt, jetzt hat er sich verlaufen.
Sucht fluchend nun am Waldesrand
Bis er sein Auto wiederfand.
Wirft mich, er hat´s gefunden kaum,
samt Schlitten in den Kofferraum und startet
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aber, tuck, tuck, tuck,
das Auto macht nicht einen Ruck.
Wär nicht ein netter Mensch gekommen,
der ihn in´s Schlepptau hat genommen,
er stünde noch dort sicherlich.
Vor langer Zeit im dunklen Tann,
ein kleines Tännchen wuchs heran.
Ganz zart war es, wie es da stand
und langsam sich nach oben wand.
Das ist jetzt schon sehr lange her,
nun gibt es hier kein Tännchen mehr.
Ein Tannenbaum, ganz groß und breit
wurd’ aus dem Tännchen mit der Zeit.
So steht er da, erfüllt von Stolz,
auf seinen Wuchs, sein gutes Holz,
als er nicht weiß, wie ihm geschieht
wie er an sich nach unten sieht.
„Oh nein“, denkt er – „das kann nicht sein,
da tut sich was an meinem Bein.
Welch komisch Ding bewegt sich da
und kommt mir jetzt so schrecklich nah.“
– es ritzt und ratzt so vor sich hin,
was ist das für ein komisch’ Ding?
Jetzt kann er’s spüren, ach oh Graus,
es zieht ihm glatt die Schuhe aus.
Und wo er eben noch ganz fest,
die Füße in die Erd’ gepresst,
gestanden mit schwerem, vollem Geäst
nur noch ein Stumpf sich sehen lässt.
Ach wüsst’ er nur wie ihm geschieht,
das komisch’ Ding nimmt ihn und flieht.
Und laut schallt es aus dunklem Tann,
das ist bestimmt der Förstersmann.
So geht es schnell und hoppla hopp
durch Wald und Wiese im Galopp.
Der Förster, der kommt hinterher,
er kriegt sie dann aber doch nicht mehr.
Auf einmal wird es schwarz und grau,
was ist denn das hier für ein Bau?
Kein Licht die Dunkelheit erhellt,
ja ist das hier das End’ der Welt?
Doch da erscheint ein kleines Licht,
er ahnt Gestalten, sehen kann er sie nicht.
Erst als er ganz in der Nähe ist,
kann er sehen, dass jemand am Feuer sitzt.
Und als er sie so da sitzen sieht,
wohl einer an seiner Pfeife zieht,
da fallen ihm all die Märchen ein,
die er gehört hat – da war er noch klein.
Von Kobolden und Wichteln die leben im Wald,
von Feen und Elfen, jung oder alt.
Er hat nie wirklich daran geglaubt,
was er hier sieht, den Verstand ihm fast raubt.
Denn hinter dem Feuer da fängt’s ja erst an,
da wird gebastelt, gebacken, getan.
Es geht dort ganz geschäftig zu,
geschwind wird geknetet, gebacken im Nu.
Dort werden Geschenke in allen Größen
in Papier verpackt und gestapelt zu Stößen.
Noch ein paar Schleifen dann drum herum
und karwumm fällt der ganze Stapel um.
Doch gleich kommt Einer angerannt,
er kann’s nicht glauben und schaut gebannt.
Da türmen sich alle Pakete auf,
die Zauberkunst nimmt so ihren Lauf.
So Vieles gibt es hier zu entdecken,
ach könnte er sich doch noch mehr recken –
da plötzlich wird er noch einmal gerissen,
das war’s hoffentlich denkt er beflissen.
Und wirklich auf einmal um ihn herum
stehen alle da und schauen stumm –
mit glänzendem, frohem und feuchtem Blick –
hier möchte er bleiben, niemals zurück.
Wie er so da steht und man ihn bestaunt,
ein Wichtel zu einem Elfen raunt –
„welch schöner Baum, oh welch Entzücken,
jetzt sollen die Feen ihn noch schmücken.“
Der Tannenbaum wußt’ nicht wie ihm geschah,
viele, hübsche Feen waren ihm plötzlich ganz nah
und bunte Kugeln und Glitzersterne,
Feenstaub, Äpfel und Mandelkerne.
Alles das kommt an seine Zweige,
so lange bis das Gut langsam geht zur Neige
und dann wird es plötzlich ganz still um ihn her,
das ist wohl das Christkind – oh er freut sich sehr.
Und wie es da in seinem goldenen Kleid
auf ihn zukommt, das Haar völlig verschneit,
um die Kerzen auf seinen Ästen anzuzünden,
da kann er nichts mehr Schönres finden.
Wie war er doch so glücklich jetzt,
auch fühlt er sich nicht mehr verletzt.
Das was ihm heute war widerfahren,
war wirklich das Schönste in all seinen Jahren.
Es kommt dann auch noch der Weihnachtsmann,
um die Geschenke zu holen und bestaunt den Tann.
Und wenn ihr’s nicht glaubt, seid ihr selber schuld,
verliert nicht den Glauben und habt Geduld.
Vielleicht begegnet euch auch irgendwann
ein Kobold oder ein Wichtel im dunklen Tann.
Oder ihr hört es dort leise flüstern,
„hier stand ich, hier stand ich“ und dann ein Knistern …
Die Mutter hat im Advent einen Weihnachtstraum
von einem mit Kerzen geschmückten Christbaum.
„Möchtest Du ihn besorgen?“, hör` ich sie sagen.
„Ja!“, erwidert der Vater kurz ohne weitere Fragen.
Erst dreht Vater in der Stadt noch seine Runden.
Bis er heimkommt, vergehen so etliche Stunden.
Am Weihnachtsmarkt lockte der Glühweinstand
und es dauerte auch, bis er den Christbaum fand.
Als dann endlich der Verkaufsstand kam in Sicht,
nur recht spärlich beleuchtet von einer Laterne Licht,
hat er sich für eine zimmerhohe Tanne entschieden
und ist treffsicher bei seiner eiligen Wahl geblieben.
Daheim wird nach dem Christbaumständer gesucht.
„Wo ist denn der bloß wieder?“ Er wird erst verflucht.
Dann rückt Vater mit Säge und Schnitzmesser an,
damit er den Baum in den Ständer zwängen kann.
Irgendwie sieht er krumm aus - er bessert noch nach,
erschrickt, denn eine Schneelawine rutscht vom Dach.
Endlich steht der Christbaum, wird von ihm bestaunt.
Doch danach ist Vater nicht mehr allzu gut gelaunt.
Der Baum reicht leider nicht mehr bis zur Decke,
als er endlich fertig da steht in des Zimmers Ecke.
Selbst die Christbaumspitze gleicht das nicht aus!
Es droht Unfriede deswegen im Weihnachtshaus.
Schnell wird er mit Kugeln und Lametta behängt
und der Blick auf den Christbaumschmuck gelenkt.
Die Mutter schaut sich den windschiefen Baum an
und fragt sich, wie man bloß so etwas kaufen kann.
Hallöchen kleiner Weihnachtsbaum,
ach, bist du schön, es ist ein Traum!
Du hast dich wirklich fein gemacht
für diese ganz besondere Nacht.
Wie nett, dass du jetzt bei uns bist,
im Wald wirst du bestimmt vermisst.
Wir freuen uns dich hier zu sehen
und sagen dir ein Dankeschön.
Bäume leuchtend, Bäume blendend,
Überall das Süße spendend.
In dem Glanze sich bewegend,
Alt und junges Herz erregend –
Solch ein Fest ist uns bescheret.
Mancher Gaben Schmuck verehret;
Staunend schaun wir auf und nieder,
Hin und Her und immer wieder.
Aber, Fürst, wenn dir’s begegnet
Und ein Abend so dich segnet,
Dass als Lichter, dass als Flammen
Von dir glänzten all zusammen
Alles, was du ausgerichtet,
Alle, die sich dir verpflichtet:
Mit erhöhten Geistesblicken
Fühltest herrliches Entzücken.
Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen,
Wie glänzt er festlich, lieb und mild,
Als spräch’ er: „Wollt in mir erkennen
Getreuer Hoffnung stilles Bild.“
Die Kinder stehn mit hellen Blicken,
das Auge lacht, es lacht das Herz,
o fröhlich seliges Entzücken!
Die Alten schauen himmelwärts.
Zwei Engel sind hereingetreten,
kein Auge hat sie kommen seh’n,
sie gehn zum Weihnachtstisch und beten,
und wenden wieder sich und geh’n.
„Gesegnet seid, ihr alten Leute,
gesegnet sei, du kleine Schar!
Wir bringen Gottes Segen heute
dem braunen wie dem weißen Haar.
Zu guten Menschen, die sich lieben,
schickt uns der Herr als Boten aus,
und seid ihr treu und fromm geblieben,
wir treten wieder in dies Haus.“
Kein Ohr hat ihren Spruch vernommen,
unsichtbar jedes Menschen Blick
sind sie gegangen wie gekommen,
doch Gottes Segen blieb zurück.
Autor: Tr. Frank, 1997
With lighted candles the Christmas tree is
A glorious sight for us to behold.
It speaks to us and it says: "In me is
True hope and faith for young and old.
The children with all their glowing faces
Gladden our hearts and cheer our sight.
What gay delight in the elders' gazes
With eyes upturned on this holy night.
Two angels enter the room unseen and
No eye beholds them standing there.
They say a prayer and then near the tree stand
Before they turn and leave us here.
"All you be blessed, yes, every old one
And you small flock, also be blessed.
God's gift is withheld this day from no one,
Be your head brown or white hair tressed.
To all good people that love another,
As messengers from the Lord we came.
And if you stay him faithful and pious
We will return to this house again."
No single ear heard a whisper spoken
And every human eye was blind.
They came and then went, leaving the token
Of God's great love and blessing behind.
Text: Ernst Anschütz, (1780-1861)
Musik: Volksweise, MIDI | MP3
O Tannenbaum, o Tannenbaum,
wie treu sind deine Blätter!
Du grünst nicht nur zur Sommerzeit,
nein, auch im Winter, wenn es schneit.
O Tannenbaum, o Tannenbaum,
wie treu sind deine Blätter!
O Tannenbaum, o Tannenbaum,
du kannst mir sehr gefallen.
Wie oft hat nicht zur Weihnachtszeit
ein Baum von Dir mich hoch erfreut!
O Tannenbaum, o Tannenbaum,
du kannst mir sehr gefallen!
O Tannenbaum, o Tannenbaum,
dein Kleid will mich was lehren:
Die Hoffnung und Beständigkeit
gibt Trost und Kraft zu jeder Zeit.
O Tannenbaum, o Tannenbaum,
dein Kleid will mich was lehren.
Ein Märchen über den Ursprung des Weihnachsbaumes von
Hermann Löns
Der Weihnachtsmann ging durch den Wald. Er war
ärgerlich. Sein weißer Spitz, der sonst immer lustig
bellend vor ihm herlief, merkte das und schlich
hinter seinem Herrn mit eingezogener Rute her.
Er hatte nämlich nicht mehr die rechte Freude an
seiner Tätigkeit. Es war alle Jahre dasselbe. Es war
kein Schwung in der Sache. Spielzeug und Esswaren,
das war auf die Dauer nichts. Die Kinder freuten sich
wohl darüber, aber quieken sollten sie und jubeln und
singen, so wollte er es, das taten sie aber nur
selten. Den ganzen Dezembermonat hatte der
Weihnachtsmann schon darüber nachgegrübelt, was er
wohl Neues erfinden könne, um einmal wieder eine
rechte Weihnachtsfreude in die Kinderwelt zu bringen,
eine Weihnachtsfreude, an der auch die Großen
teilnehmen würden. So stapfte er denn auch durch den
verschneiten Wald, bis er auf dem Kreuzweg war. Dort
wollte er das Christkindchen treffen. Mit dem beriet
er sich nämlich immer über die Verteilung der
Gaben.
Schon von weitem sah er, dass das Christkindchen
da war, denn ein heller Schein war dort. Das
Christkindchen hatte ein langes, weißes Pelzkleidchen
an und lachte über das ganze Gesicht. „Na,
Alterchen, wie geht's?“ fragte das Christkind.
„Hast wohl schlechte Laune?“ Damit hakte
es den Alten unter und ging mit ihm. Hinter ihnen
trabte der kleine Spitz, aber er sah gar nicht mehr
betrübt aus und hielt seinen Schwanz kühn in die
Luft. „Ja“, sagte der Weihnachtsmann,
„die ganze Sache macht mir so recht keinen Spaß
mehr. Liegt es am Alter oder an sonst was, ich weiß
nicht. Das mit den Süßigkeiten, den Äpfeln und
Nüssen, das ist nichts mehr. Das essen sie auf, und
dann ist das Fest vorbei. Man müsste etwas Neues
erfinden“.
Das Christkindchen nickte und machte ein
nachdenkliches Gesicht; dann sagte es: „Da hast
du recht. Alter, mir ist das auch schon aufgefallen.
Ich habe daran auch schon gedacht, aber das ist nicht
so leicht.“ „Das ist es ja gerade“,
knurrte der Weihnachtsmann, „ich bin zu alt und
zu dumm dazu. Ich habe schon richtiges Kopfweh vom
vielen Nachdenken, und es fällt mir doch nichts
Vernünftiges ein. Nachdenklich gingen beide durch den
weißen Winterwald, der Weihnachtsmann mit brummigem,
das Christkindchen mit nachdenklichem Gesicht. Es war
so still im Wald, kein Zweig rührte sich, nur wenn
die Eule sich auf einen Ast setzte, fiel ein Stück
Schneebehang mit halblautem Ton herab. Der Mond
schien hell und klar, alle Sterne leuchteten, der
Schnee sah aus wie Silber, und die Tannen standen
darin, schwarz und weiß, daß es eine Pracht war. Eine
fünf Fuß hohe Tanne, die allein im Vordergrund stand,
sah besonders reizend aus. Sie war regelmäßig
gewachsen, hatte auf jedem Zweig einen
Schneestreifen, an den Zweigspitzen kleine Eiszapfen,
und glitzerte und flimmerte nur so im Mondenschein.
Das Christkindchen ließ den Arm des Weihnachtsmannes
los, stieß den Alten an, zeigte auf die Tanne und
sagte: „Ist das nicht wunderhübsch?“
„Ja“, sagte der Alte, „aber was
hilft mir das?“ „Gib ein paar Äpfel
her“, sagte das Christkindchen, „ich habe
eine Idee.“
Der Weihnachtsmann machte ein dummes Gesicht, denn
er konnte es sich nicht recht vorstellen, dass das
Christkind bei der Kälte Appetit auf die eiskalten
Äpfel hatte. Er machte sein Tragband ab, stellte
seine riesige Kiepe in den Schnee, kramte darin herum
und langte ein paar recht schöne Äpfel heraus.
„Nun schneid mal etwas Bindfaden in zwei
fingerlange Stücke und mach mir kleine
Pflöckchen“, sagte das Christkindchen. Dem
Alten kam das alles etwas ulkig vor. aber er sagte
nichts und tat, was das Christkind ihm sagte. Als er
die Bindfadenenden und die Pflöckchen fertig hatte,
nahm das Christkind einen Apfel, steckte ein
Pflöckchen hinein, band den Faden daran und hängte es
an einen Ast. „So“, sagte es dann,
„nun müssen auch an die anderen welche, und
dabei kannst du helfen, aber vorsichtig, dass kein
Schnee abfällt!“ Der Alte half, obgleich er
nicht wusste, warum. Aber es machte ihm schließlich
Spaß, und als die ganze kleine Tanne voll von
rotbäckigen Äpfeln hing, da trat er fünf Schritte
zurück, lachte und sagte: „Kiek, wie niedlich
das aussieht! Aber was hat das alles für'n
Zweck?“ „Braucht denn alles gleich einen
Zweck zu haben?“ lachte das Christkind.
„Pass auf, das wird noch schöner. Nun gib mal
Nüsse her!“ Der Alte krabbelte aus seiner Kiepe
Walnüsse heraus und gab sie dem Christkindchen. Das
steckte in jedes ein Hölzchen, machte einen Faden
daran, und hängte sie zwischen die Äpfel. „Was
sagst nun, Alterchen?“ fragte es dann.
„Ist das nicht allerliebst?“
„Ja“, sagte der, „aber ich weiß
immer noch nicht...“ „Komm schon!“
lachte das Christkindchen. „Hast du
Lichter?“
Da stand nun das Bäumchen im Schnee; aus seinem
halbverschneiten, dunklen Gezweig sahen die roten
Backen der Äpfel, die Gold- und Silbernüsse blitzten
und funkelten, und die gelben Wachskerzen brannten
feierlich.
Das Christkindchen lachte über das ganze rosige
Gesicht und patschte in die Hände, der alte
Weihnachtsmann sah gar nicht mehr so brummig aus, und
der kleine Spitz sprang hin und her und bellte. Als
die Lichter ein wenig heruntergebrannt waren, wehte
das Christkindchen mit seinen goldsilbernen Flügeln,
und da gingen die Lichter aus. Es sagte dem
Weihnachtsmann, er solle das Bäumchen vorsichtig
absägen. Das tat der, und dann gingen beide den Berg
hinab und nahmen das bunte Bäumchen mit. Als sie in
den Ort kamen, schlief schon alles. Beim kleinsten
Hause machten die beiden halt. Das Christkind machte
leise die Tür auf und trat ein; der Weihnachtsmann
ging hinterher. In der Stube stand ein dreibeiniger
Schemel mit einer durchlochten Platte. Den stellten
sie auf den Tisch und steckten den Baum hinein. Der
Weihnachtsmann legte dann noch allerlei schöne Dinge,
Spielzeug, Kuchen, Äpfel und Nüsse unter den Baum.
und dann verließen beide das Haus so leise, wie sie
es betreten hatten.
Als der Mann, dem das Häuschen gehörte, am anderen
Morgen erwachte und den bunten Baum sah, da staunte
er und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er
steckte die Lichter an dem Bäumchen an und weckte
Frau und Kinder. Das war eine Freude in dem kleinen
Haus wie an keinem Weihnachtstag. Keines von den
Kindern sah nach dem Spielzeug, nach dem Kuchen und
den Äpfeln, sie sahen nur alle Freude in dem kleinen
Haus wie an keinem Weihnachtstag. Keines von den
Kindern sah nach dem Spielzeug, nach dem Kuchen und
den Äpfeln, sie sahen nur alle nach dem Lichterbaum.
Sie fassten sich an den Händen, tanzten um den Baum
und sangen alle Weihnachtslieder, die sie wussten.
Als es heller Tag geworden war, da kamen die Freunde
und Verwandten des Bergmanns, sahen sich das Bäumchen
an. freuten sich darüber und gingen gleich in den
Wald, um sich für ihre Kinder auch ein
Weihnachtsbäumchen zu holen. Die anderen Leute, die
das sahen, machten es nach, jeder holte sich einen
Tannenbaum und putzte ihn an, der eine so, der andere
so, aber Lichter, Äpfel und Nüsse hängten sie alle
daran. Als es dann Abend wurde, brannte im ganzen
Dorf, Haus bei Haus, ein Weihnachtsbaum, überall
hörte man Weihnachtslieder und das Jubeln und Lachen
der Kinder.
Von da aus ist der Weihnachtsbaum über ganz
Deutschland gewandert und von da über die ganze
Erde.
Draußen im Walde stand ein niedlicher, kleiner
Tannenbaum; er hatte einen guten Platz, Sonne konnte
er bekommen, Luft war genug da, und ringsumher
wuchsen viel größere Kameraden, sowohl Tannen als
Fichten. Aber dem kleinen Tannenbaum schien nichts so
wichtig wie das Wachsen; er achtete nicht der warmen
Sonne und der frischen Luft, er kümmerte sich nicht
um die Bauernkinder, die da gingen und plauderten,
wenn sie herausgekommen waren, um Erdbeeren und
Himbeeren zu sammeln. Oft kamen sie mit einem ganzen
Topf voll oder hatten Erdbeeren auf einen Strohhalm
gezogen, dann setzten sie sich neben den kleinen
Tannenbaum und sagten: „Wie niedlich klein ist
der!“ Das mochte der Baum gar nicht hören.
Im folgenden Jahre war er ein langes Glied größer,
und das Jahr darauf war er um noch eins länger, denn
bei den Tannenbäumen kann man immer an den vielen
Gliedern, die sie haben, sehen, wie viele Jahre sie
gewachsen sind.
„Oh, wäre ich doch so ein großer Baum wie
die andern!“ seufzte das kleine Bäumchen.
„Dann könnte ich meine Zweige so weit umher
ausbreiten und mit der Krone in die Welt
hinausblicken! Die Vögel würden dann Nester zwischen
meinen Zweigen bauen, und wenn der Wind weht, könnte
ich so vornehm nicken, gerade wie die andern
dort!“
Er hatte gar keine Freude am Sonnenschein, an den
Vögeln und den roten Wolken, die morgens und abends
über ihn hinsegelten.
War es nun Winter und der Schnee lag ringsumher
funkelnd weiß, so kam häufig ein Hase angesprungen
und setzte gerade über den kleinen Baum weg. Oh, das
war ärgerlich! Aber zwei Winter vergingen, und im
dritten war das Bäumchen so groß, daß der Hase um es
herumlaufen mußte. „Oh, wachsen, wachsen, groß
und alt werden, das ist doch das einzige Schöne in
dieser Welt!“ dachte der Baum.
Im Herbst kamen immer Holzhauer und fällten einige
der größten Bäume; das geschah jedes Jahr, und dem
jungen Tannenbaum, der nun ganz gut gewachsen war,
schauderte dabei; denn die großen, prächtigen Bäume
fielen mit Knacken und Krachen zur Erde, die Zweige
wurden abgehauen, die Bäume sahen ganz nackt, lang
und schmal aus; sie waren fast nicht zu erkennen.
Aber dann wurden sie auf Wagen gelegt, und Pferde
zogen sie davon, aus dem Walde hinaus.
Wohin sollten sie? Was stand ihnen bevor?
Im Frühjahr, als die Schwalben und Störche kamen,
fragte sie der Baum: „Wißt ihr nicht, wohin sie
geführt wurden? Seid ihr ihnen begegnet?“
Die Schwalben wußten nichts, aber der Storch sah
nachdenkend aus, nickte mit dem Kopfe und sagte:
„Ja, ich glaube wohl; mir begegneten viele neue
Schiffe, als ich aus Ägypten flog; auf den Schiffen
waren prächtige Mastbäume; ich darf annehmen, daß sie
es waren, sie hatten Tannengeruch; ich kann vielmals
von ihnen grüßen, sie sind schön und
stolz!“
„Oh, wäre ich doch auch groß genug, um über
das Meer hinfahren zu können! Was ist das eigentlich,
dieses Meer, und wie sieht es aus?“
„Ja, das ist viel zu weitläufig zu
erklären!“ sagte der Storch, und damit ging
er.
„Freue dich deiner Jugend!“ sagten die
Sonnenstrahlen; „freue dich deines frischen
Wachstums, des jungen Lebens, das in dir
ist!“
Und der Wind küßte den Baum, und der Tau weinte
Tränen über ihn, aber das verstand der Tannenbaum
nicht.
Wenn es gegen die Weihnachtszeit war, wurden ganz
junge Bäume gefällt, Bäume, die oft nicht einmal so
groß oder gleichen Alters mit diesem Tannenbäume
waren, der weder Rast noch Ruhe hatte, sondern immer
davon wollte; diese jungen Bäume, und es waren gerade
die allerschönsten, behielten immer alle ihre Zweige;
sie wurden auf Wagen gelegt, und Pferde zogen sie zum
Walde hinaus.
„Wohin sollen diese?“ fragte der
Tannenbaum. „Sie sind nicht größer als ich,
einer ist sogar viel kleiner; weswegen behalten sie
alle ihre Zweige? Wohin fahren sie?“
„Das wissen wir! Das wissen wir!“
zwitscherten die Meisen. „Unten in der Stadt
haben wir in die Fenster gesehen! Wir wissen, wohin
sie fahren! Oh, sie gelangen zur größten Pracht und
Herrlichkeit, die man sich denken kann! Wir haben in
die Fenster gesehen und erblickt, daß sie mitten in
der warmen Stube aufgepflanzt und mit den schönsten
Sachen, vergoldeten Äpfeln, Honigkuchen, Spielzeug,
und vielen hundert Lichtern geschmückt
werden.“
„Und dann?“ fragte der Tannenbaum und
bebte in allen Zweigen. „Und dann? Was
geschieht dann?“ „Ja, mehr haben wir
nicht gesehen! Das war unvergleichlich
schön!“
„Ob ich wohl bestimmt bin, diesen
strahlenden Weg zu betreten?“ jubelte der
Tannenbaum. „Das ist noch besser als über das
Meer zu ziehen! Wie leide ich an Sehnsucht! Wäre es
doch Weihnachten! Nun bin ich hoch und entfaltet wie
die andern, die im vorigen Jahre davongeführt wurden!
Oh, wäre ich erst auf dem Wagen, wäre ich doch in der
warmen Stube mit all der Pracht und Herrlichkeit! Und
dann? ja, dann kommt noch etwas Besseres, noch
Schöneres, warum würden sie mich sonst so schmücken?
Es muß noch etwas Größeres, Herrlicheres kommen! Aber
was? Oh, ich leide, ich sehne mich, ich weiß selbst
nicht, wie mir ist!“
„Freue dich unser!“ sagten die Luft
und das Sonnenlicht; „freue dich deiner
frischen Jugend im Freien!“
Aber er freute sich durchaus nicht; er wuchs und
wuchs, Winter und Sommer stand er grün; dunkelgrün
stand er da, die Leute, die ihn sahen, sagten:
„Das ist ein schöner Baum!“ und zur
Weihnachtszeit wurde er von allen zuerst gefällt. Die
Axt hieb tief durch das Mark; der Baum fiel mit einem
Seufzer zu Boden, er fühlte einen Schmerz, eine
Ohnmacht, er konnte gar nicht an irgendein Glück
denken, er war betrübt, von der Heimat scheiden zu
müssen, von dem Flecke, auf dem er emporgeschossen
war; er wußte ja, daß er die lieben, alten Kameraden,
die kleinen Büsche und Blumen ringsumher nie mehr
sehen werde, ja vielleicht nicht einmal die Vögel.
Die Abreise hatte durchaus nichts Behagliches.
Der Baum kam erst wieder zu sich selbst, als er im
Hofe mit andern Bäumen abgeladen wurde und einen Mann
sagen hörte: „Dieser hier ist prächtig! Wir
wollen nur den!“
Nun kamen zwei Diener im vollen Staat und trugen
den Tannenbaum in einen großen, schönen Saal.
Ringsherum an den Wänden hingen Bilder, und bei dem
großen Kachelofen standen große chinesische Vasen mit
Löwen auf den Deckeln; da waren Wiegestühle, seidene
Sofas, große Tische voll von Bilderbüchern und
Spielzeug für hundertmal hundert Taler; wenigstens
sagten das die Kinder. Der Tannenbaum wurde in ein
großes, mit Sand gefälltes Faß gestellt, aber niemand
konnte sehen, daß es ein Faß war, denn es wurde
rundherum mit grünem Zeug behängt und stand auf einem
großen, bunten Teppich. oh, wie der Baum bebte! Was
würde da wohl vorgehen? Sowohl die Diener als die
Fräulein schmückten ihn. An einen Zweig hängten sie
kleine, aus farbigem Papier ausgeschnittene Netze,
und jedes Netz war mit Zuckerwerk gefüllt. Vergoldete
Apfel und Walnüsse hingen herab, als wären sie
festgewachsen, und über hundert rote, blaue und weiße
kleine Lichter wurden in den Zweigen festgesteckt.
Puppen, die leibhaft wie die Menschen aussahen - der
Baum hatte früher nie solche gesehen -, schwebten im
Grünen, und hoch oben in der Spitze wurde ein Stern
von Flittergold befestigt. Das war prächtig, ganz
außerordentlich prächtig!
„Heute abend“, sagten alle,
„heute abend wird er strahlen!“ und sie
waren außer sich vor Freude.
„Oh“ dachte der Baum, „wäre es
doch Abend! Würden nur die Lichter bald angezündet!
Und was dann wohl geschieht? Ob da wohl Bäume aus dem
Walde kommen, mich zu sehen? Ob die Meisen gegen die
Fensterscheiben fliegen? Ob ich hier festwachse und
Winter und Sommer geschmückt stehen werde?“
Ja, er wußte gut Bescheid; aber er hatte
ordentlich Borkenschmerzen vor lauter Sehnsucht, und
Borkenschmerzen sind für einen Baum ebenso schlimm
wie Kopfschmerzen für uns andere.
Nun wurden die Lichter angezündet. Welcher Glanz,
welche Pracht! Der Baum bebte in allen Zweigen dabei,
so daß eins der Lichter das Grüne anbrannte; es
sengte ordentlich.
„Gott bewahre uns!“ schrien die
Fräulein und löschten es hastig aus.
Nun durfte der Baum nicht einmal beben. Oh, das
war ein Grauen! Ihm war bange, etwas von seinem
Staate zu verlieren; er war ganz betäubt von all dem
Glanze. Da gingen beide Flügeltüren auf, und eine
Menge Kinder stürzte herein, als wollten sie den
ganzen Baum umwerfen, die älteren Leute kamen
bedächtig nach; die Kleinen standen ganz stumm, aber
nur einen Augenblick, dann jubelten sie wieder, daß
es laut schallte; sie tanzten um den Baum herum, und
ein Geschenk nach dem andern wurde abgepflückt und
verteilt.
„Was machen sie?“ dachte der Baum.
„Was soll geschehen?“ Die Lichter
brannten gerade bis auf die Zweige herunter, und je
nachdem sie niederbrannten, wurden sie ausgelöscht,
und dann erhielten die Kinder die Erlaubnis, den Baum
zu plündern. Sie stürzten auf ihn zu, daß es in allen
Zweigen knackte; wäre er nicht mit der Spitze und mit
dem Goldstern an der Decke festgemacht gewesen, so
wäre er umgefallen.
Die Kinder tanzten mit ihrem prächtigen Spielzeug
herum, niemand sah nach dem Baume, ausgenommen das
alte Kindermädchen, das zwischen die Zweige blickte;
aber es geschah nur, um zu sehen, ob nicht noch eine
Feige oder ein Apfel vergessen sei.
„Eine Geschichte, eine Geschichte!“
riefen die Kinder und zogen einen kleinen, dicken
Mann gegen den Baum hin, und er setzte sich gerade
unter ihn, „denn so sind wir im Grünen“,
sagte er, „und der Baum kann besonders Nutzen
davon haben, zuzuhören! Aber ich erzähle nur eine
Geschichte. Wollt ihr die von Ivede- Avede oder die
von Klumpe-Dumpe hören, der die Treppen hinunterfiel
und doch erhöht wurde und die Prinzessin
bekam?“
„lvede-Avede!“ schrien einige,
„Klumpe-Dumpe!“ schrien andere. Das war
ein Rufen! Nur der Tannenbaum schwieg ganz still und
dachte: „Komme ich gar nicht mit, werde ich
nichts dabei zu tun haben?“ Er hatte ja
geleistet, was er sollte.
Der Mann erzählte von Klumpe-Dumpe, der die
Treppen hinunterfiel und doch erhöht wurde und die
Prinzessin bekam. Und die Kinder klatschten in die
Hände und riefen: „Erzähle, erzähle!“ Sie
wollten auch die Geschichte von Ivede-Avede hören,
aber sie bekamen nur die von Klumpe-Dumpe. Der
Tannenbaum stand ganz stumm und gedankenvoll, nie
hatten die Vögel im Walde dergleichen erzählt.
Klumpe-Dumpe fiel die Treppen hinunter und bekam doch
die Prinzessin! „Ja, ja, so geht es in der Welt
zu!“ dachte der Tannenbaum und glaubte, daß es
wahr sei, weil ein so netter Mann es erzählt hatte.
„Ja, ja! Vielleicht falle ich auch die Treppe
hinunter und bekomme eine Prinzessin!“ Und er
freute sich, den nächsten Tag wieder mit Lichtern und
Spielzeug, Gold und Früchten und dem Stern von
Flittergold aufgeputzt zu werden. „Morgen werde
ich nicht zittern!“ dachte er. „Ich will
mich recht aller meiner Herrlichkeit freuen. Morgen
werde ich wieder die Geschichte von Klumpe-Dumpe und
vielleicht auch die von Ivede-Avede hören.“ Und
der Baum stand die ganze Nacht still und
gedankenvoll.
Am Morgen kamen die Diener und das Mädchen
herein.
„Nun beginnt der Staat aufs neue!“
dachte der Baum; aber sie schleppten ihn zum Zimmer
hinaus, die Treppe hinauf, auf den Boden und stellten
ihn in einen dunklen Winkel, wohin kein Tageslicht
schien. „Was soll das bedeuten?“ dachte
der Baum. „Was soll ich hier wohl machen? Was
mag ich hier wohl hören sollen?“ Er lehnte sich
gegen die Mauer und dachte und dachte. Und er hatte
Zeit genug, denn es vergingen Tage und Nächte;
niemand kam herauf, und als endlich jemand kam, so
geschah es, um einige große Kasten in den Winkel zu
stellen; der Baum stand ganz versteckt, man mußte
glauben, daß er ganz vergessen war.
„Nun ist es Winter draußen!“ dachte
der Baum. „Die Erde ist hart und mit Schnee
bedeckt, die Menschen können mich nicht pflanzen;
deshalb soll ich wohl bis zum Frühjahr hier im Schutz
stehen! Wie wohlbedacht ist das! Wie die Menschen
doch so gut sind! Wäre es hier nur nicht so dunkel
und schrecklich einsam! Nicht einmal ein kleiner
Hase! Das war doch niedlich da draußen im Walde, wenn
der Schnee lag und der Hase vorbeisprang, ja selbst
als er über mich hinwegsprang; aber damals mochte ich
es nicht leiden. Hier oben ist es doch schrecklich
einsam!“
„Piep, piep!“ sagte da eine kleine
Maus und huschte hervor; und dann kam noch eine
kleine. Sie beschnüffelten den Tannenbaum, und dann
schlüpften sie zwischen seine Zweige.
„Es ist eine greuliche Kälte!“ sagten
die kleinen Mäuse. „Sonst ist hier gut sein;
nicht wahr, du alter Tannenbaum?“
„Ich bin gar nicht alt!“ sagte der
Tannenbaum; „es gibt viele, die weit älter sind
denn ich!“
„Woher kommst du?“ fragten die Mäuse,
„und was weißt du?“ Sie waren gewaltig
neugierig. „Erzähle uns doch von den schönsten
Orten auf Erden! Bist du dort gewesen? Bist du in der
Speisekammer gewesen, wo Käse auf den Brettern liegen
und Schinken unter der Decke hängen, wo man auf
Talglicht tanzt, mager hineingeht und fett
herauskommt?“
„Das kenne ich nicht“, sagte der Baum;
„aber den Wald kenne ich, wo die Sonne scheint
und die Vögel singen!“ Und dann erzählte er
alles aus seiner Jugend. Die kleinen Mäuse hatten
früher nie dergleichen gehört, sie horchten auf und
sagten: „Wieviel du gesehen hast! Wie glücklich
du gewesen bist!“
„Ich?“ sagte der Tannenbaum und dachte
über das, was er selbst erzählte, nach. „Ja, es
waren im Grunde ganz fröhliche Zeiten!“ Aber
dann erzählte er vom Weihnachtsabend, wo er mit
Zuckerwerk und Lichtern geschmückt war.
„Oh“, sagten die kleinen Mäuse,
„wie glücklich du gewesen bist, du alter
Tannenbaum!“
„Ich bin gar nicht alt!“ sagte der
Baum; „erst in diesem Winter bin ich aus dem
Walde gekommen! Ich bin in meinem allerbesten Alter,
ich bin nur so aufgeschossen.“
„Wie schön du erzählst!“ sagten die
kleinen Mäuse, und in der nächsten Nacht kamen sie
mit vier anderen kleinen Mäusen, die den Baum
erzählen hören sollten, und je mehr er erzählte,
desto deutlicher erinnerte er sich selbst an alles
und dachte: „Es waren doch ganz fröhliche
Zeiten! Aber sie können wiederkommen, können
wiederkommen! Klumpe-Dumpe fiel die Treppe hinunter
und bekam doch die Prinzessin; vielleicht kann ich
auch eine Prinzessin bekommen.“ Und dann dachte
der Tannenbaum an eine kleine, niedliche Birke, die
draußen im Walde wuchs; das war für den Tannenbaum
eine wirkliche, schöne Prinzessin.
„Wer ist Klumpe-Dumpe?“ fragten die
kleinen Mäuse. Da erzählte der Tannenbaum das ganze
Märchen, er konnte sich jedes einzelnen Wortes
entsinnen; die kleinen Mäuse sprangen aus reiner
Freude bis an die Spitze des Baumes. In der folgenden
Nacht kamen weit mehr Mäuse und am Sonntage sogar
zwei Ratten, aber die meinten, die Geschichte sei
nicht hübsch, und das betrübte die kleinen Mäuse,
denn nun hielten sie auch weniger davon.
„Wissen Sie nur die eine Geschichte?“
fragten die Ratten.
„Nur die eine“, antwortete der Baum;
„die hörte ich an meinem glücklichsten Abend,
aber damals dachte ich nicht daran, wie glücklich ich
war.“
„Das ist eine höchst jämmerliche Geschichte!
Kennen Sie keine von Speck und Talglicht? Keine
Speisekammergeschichte?“
„Nein!“ sagte der Baum. „Ja,
dann danken wir dafür!“ erwiderten die Ratten
und gingen zu den Ihrigen zurück.
Die kleinen Mäuse blieben zuletzt auch weg, und da
seufzte der Baum: „Es war doch ganz hübsch, als
sie um mich herumsaßen, die beweglichen kleinen
Mäuse, und zuhörten, wie ich erzählte! Nun ist auch
das vorbei! Aber ich werde gerne daran denken, wenn
ich wieder hervorgenommen werde.“
Aber wann geschah das? Ja, es war eines Morgens,
da kamen Leute und wirtschafteten auf dem Boden; die
Kasten wurden weggesetzt, der Baum wurde
hervorgezogen; sie warfen ihn freilich ziemlich hart
gegen den Fußboden, aber ein Diener schleppte ihn
gleich nach der Treppe hin, wo der Tag leuchtete.
„Nun beginnt das Leben wieder!“ dachte
der Baum; er fühlte die frische Luft, die ersten
Sonnenstrahlen, und nun war er draußen im Hofe. Alles
ging geschwind, der Baum vergaß völlig, sich selbst
zu betrachten, da war so vieles ringsumher zu sehen.
Der Hof stieß an einen Garten, und alles blühte
darin; die Rosen hingen frisch und duftend über das
kleine Gitter hinaus, die Lindenbäume blühten, und
die Schwalben flogen umher und sagten:
„Quirrevirrevit, mein Mann ist kommen!“
Aber es war nicht der Tannenbaum, den sie
meinten.
„Nun werde ich leben!“ jubelte der und
breitete seine Zweige weit aus; aber ach, die waren
alle vertrocknet und gelb; und er lag da zwischen
Unkraut und Nesseln. Der Stern von Goldpapier saß
noch oben in der Spitze und glänzte im hellen
Sonnenschein.
Im Hofe selbst spielten ein paar der munteren
Kinder, die zur Weihnachtszeit den Baum umtanzt
hatten und so froh über ihn gewesen waren. Eins der
kleinsten lief hin und riß den Goldstern ab.
„Sieh, was da noch an dem häßlichen, alten
Tannenbaum sitzt!“ sagte es und trat auf die
Zweige, so daß sie unter seinen Stiefeln
knackten.
Der Baum sah auf all die Blumenpracht und Frische
im Garten, er betrachtete sich selbst und wünschte,
daß er in seinem dunklen Winkel auf dem Boden
geblieben wäre; er gedachte seiner frischen Jugend im
Walde, des lustigen Weihnachtsabends und der kleinen
Mäuse, die so munter die Geschichte von Klumpe-Dumpe
angehört hatten.
„Vorbei, vorbei!“ sagte der arme Baum.
„Hätte ich mich doch gefreut, als ich es noch
konnte! Vorbei, vorbei!“
Der Diener kam und hieb den Baum in kleine Stücke,
ein ganzes Bund lag da; hell flackerte es auf unter
dem großen Braukessel. Der Baum seufzte tief, und
jeder Seufzer war einem kleinen Schusse gleich;
deshalb liefen die Kinder, die da spielten, herbei
und setzten sich vor das Feuer, blickten hinein und
riefen: „Piff, paff!“ Aber bei jedem
Knalle, der ein tiefer Seufzer war, dachte der Baum
an einen Sommerabend im Walde oder an eine
Winternacht da draußen, wenn die Sterne funkelten; er
dachte an den Weihnachtsabend und an Klumpe-Dumpe,
das einzige Märchen, das er gehört hatte und zu
erzählen wußte - und dann war der Baum verbrannt.
Die Knaben spielten im Garten, und der kleinste
hatte den Goldstern auf der Brust, den der Baum an
seinem glücklichsten Abend getragen hatte. Nun war
der vorbei, und mit dem Baum war es vorbei und mit
der Geschichte auch; vorbei, vorbei.